Prozess gegen Berliner Antifaschisten

Antifaschismus an der Kette

Vier Antifaschisten, die einen Naziaufmarsch in Berlin mit einer Betonpyramide blockierten, sind vor Gericht glimpflich davongekommen. Das Mittel ihrer Blockade bleibt fragwürdig.

Sie schoben »auf vorgefertigten Metallschienen eine in Holz eingekleidete Betonpyramide« aus einem Mietwagen auf die Straße, setzten sich neben diese, steckten »ihre Arme in vorgefertigte Löcher der Pyramide« und ketteten sich darin fest – so ist es der Anklageschrift zu entnehmen. Die Polizei benötigte mehrere Stunden, um die Betonpyramide mit einem Kran auf die Klappe eines Lastwagens zu heben und abzutransportieren, ohne dabei die Festgeketteten zu verletzen.

Für den 1. Mai 2013 hatte die NPD in Berlin zu einem Aufmarsch aufgerufen, im damals von Neonazis dominierten Kiez Schöneweide. Etwa 400 Neonazis aus Nord- und Ostdeutschland waren dem Aufruf gefolgt. Die Polizei riegelte den Stadtteil hermetisch ab und verhinderte eine Massenblockade auf der Route. Neben Schlagstöcken kamen auch Polizeihunde und Pfefferspray zum Einsatz. Erst den vier in der Betonpyramide angeketteten Antifaschisten gelang es, die Route fünf Stunden lang zu blockieren.
Dafür wurden sie wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz und Nötigung angeklagt. In der vergangenen Woche wurde der Fall vor dem Berliner Amtsgericht verhandelt. Die Berliner Polizei hatte die Ermittlungsarbeit mit großem Eifer betrieben und deutlich schwerer wiegende Vorwürfe als den der Nötigung erhoben. Dabei war im Zuge der Blockade niemand zu Schaden gekommen. Trotzdem suchte die Polizei akribisch nach Fingerabdrücken in dem beschlagnahmten Mietwagen, den die Antifaschisten für den Transport der Pyramide benutzt hatten. Um ein höheres Strafmaß zu ermöglichen, versuchte das ermittelnde Landeskriminalamt zudem, die Mietwagenfirma zu einer Anzeige gegen die vier Männer zu bewegen.
In der Anklageschrift lautete der Vorwurf dann lediglich, gemeinschaftlich »als Veranstalter eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel ohne Anmeldung nach Paragraph 14 Versammlungsgesetz durchgeführt zu haben«. Ferner wurde einem Antifaschisten, den die Polizei als Fahrer des Mietwagens ausgemacht hatte, Nötigung vorgeworfen. Noch bevor die eigentliche Verhandlung begann, kam es zu einer Einigung zwischen den Verteidigern und dem Gericht. Zwei Angeklagte müssen 300 Euro, die beiden anderen jeweils 200 Euro an das Antifaschistische Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin zahlen. Der Verteidiger Sven Richwin kommentierte den glimpflichen Ausgang: »Die Anklage ist letztlich in den Feinheiten des Versammlungsrechts steckengeblieben, das mögliche Strafbarkeiten auf den Veranstalter beschränkt. Der Berliner Staatsschutz, der noch versucht hat, den Vorwurf möglichst hoch zu hängen, ist mit seiner Abschreckungsstrategie gescheitert.«

Eine politische Bewertung des Vorfalls lieferten die Antifaschisten nach dem Gerichtstermin. Die Betonpyramide sei nicht die »erste Wahl« für Blockaden, da sie nur einzelnen und nicht wie in einer Massenblockade Tausenden das politische Handeln ermögliche, sagten sie der Taz. Solche Pyramiden des »Modells Gorleben« kamen bisher vor allem bei Protesten gegen Castor-Transporte zum Einsatz. Im niedersächsischen Bad Nenndorf setzten in den vergangenen Jahren auch Antifaschisten solche und ähnliche Blockademittel ein, um den dort stattfinden Naziaufmarsch aufzuhalten.
War es früher noch Ziel, die »antifaschistische Selbsthilfe zu organisieren« und nicht auf den Staat und die Polizei zu vertrauen, ändert sich das mit dem Einsatz von Betonpyramiden entscheidend. So kommt die antifaschistische Praxis in den Sphären der NGOs an, liefern sich die Beteiligten, die sich anketten oder einbetonieren, doch ganz der Verfügungsgewalt der Polizei aus. Diese muss sie zum einen aus der technisch schwierigen Situation befreien und zum anderen vor den Neonazis schützen, die die Antifaschisten blockieren möchten. Mit einem einbetonierten Arm wird es schließlich schwierig mit der Selbstverteidigung.