Großer Bogen um die Bank

Es ist dunkel an diesem Samstagabend auf dem RAW-Gelände im Berliner Bezirk Friedrichshain. Das »Ambulatorium Theater« liegt versteckt am Rand. Fragt man die Besucher, die sich auf dem weitläufigen Gelände tummeln, wo es zu finden sei, kassiert man ein Schulterzocken oder einen vagen Fingerzeig ins dunkle Nichts. Irgendwann entdeckt man dann doch den Eingang, um in prekärer Off-Theateratmosphäre zwei Stunden sex and crime und Banküberfälle konsumieren zu können. Gezeigt wird das Stück »Die Kunden werden unruhig« von Johannes Schrettle unter der Regie von Christina Emig-Könning. Sie war künstlerische Leiterin der Theaterkapelle in Friedrichshain, die Ende 2013 dichtmachen musste, weil nach der Änderung der Spielstättenförderung durch den Senat das Geld fehlte. Ein Stück zu inszenieren, das sich als Finanzkrimi geriert, ist da naheliegend. »Kennen Sie panische Angst vor Bankautomaten?« Mit dieser Frage beginnt die Ankündigung. Im Stück geht es dann allerdings weniger um Knietief im Dispo oder Privatinsolvenz, sondern um das Innenleben einer Bank. Als Setting dient ein Tagungshotel, in dem ein Coaching für Führungskräfte und Mitarbeiter stattfindet. Dieses Coaching ist ein Streifzug durch die schöne neue Arbeitswelt. Im schrillen Selbstoptimierungssingsang geht es um Kommunikationsstrategien, Kundenbindung und Mitarbeiterperformance. Effizienz und Professionalität werden eingefordert, um die Befindlichkeit der Teilnehmer ist es allerdings schlecht bestellt. Der Mitarbeiter leidet nach einem Überfall an Schlaflosigkeit und gilt als Burn-out-Kandidat, die Führungskraft hat kriminelle Transaktionen verübt und will sich auf eine Insel absetzen. Der Personalberaterin fehlt die Distanz, weil sie zugleich Kundin der Bank ist. Das Coaching wird zum Psychothriller, am Ende fließt Blut. Nach dieser Tour de force durch die grenzenlose Welt des Kapitalismus wirkt der Blick auf das unsanierte RAW-Gelände fast beruhigend.