»Alltag in Deutschland«

Genug ist genug. Der 18jährige Max Moses Bonifer hat in der vergangenen Woche sein Amt als kommissarischer Stadtschülersprecher von Offenbach niedergelegt, nachdem Mitschüler ihn mehrfach antisemitisch beleidigt und sogar mit dem Tod bedroht hatten. Mittlerweile hat er den Wohnort und die Schule gewechselt. Die Jungle World hat mit ihm gesprochen.

In welchem Zeitraum haben sich die Vorfälle ereignet?
Antisemitismus war schon immer ein Problem. In vielen Menschen schlummert eine antisemitische Grundhaltung. Aber seit den letzten Kämpfen in Gaza ist es noch drastischer geworden. Die antisemitische Grundhaltung bricht sich in Wort und Tat Bahn. Das konnte ich im vergangenen halben Jahr beobachten.
Gingen die Anfeindungen immer von denselben Schülern aus?
Sie gingen von vielen Schülern aus, es handelt sich um eine Grundhaltung vieler muslimischer Schüler. Bei manchen bricht sie hervor in Beleidigungen wie »Judenschwein«. Andere sind weiter gegangen, haben mich verfolgt und bedrängt. Und dann gibt es welche, die mit Mord und Totschlag drohen.
Beschränkt sich das auf muslimische Schüler?
Nein, natürlich nicht. Bei Schülern aus den sogenannten bildungsfernen Schichten kommt es nicht darauf an, ob sie muslimisch, christlich oder anderweitig religiös sind. Aber der muslimische Antisemitismus ist angesichts des Antisemitismus, der in der deutschen Bevölkerung ohnehin vorhanden ist, der Lage nicht zuträglich.
Wie haben Ihre Mitschüler auf die Vorfälle reagiert?
Die Angriffe haben sich eher außerhalb des Schulgeländes ereignet. In der Schule selbst habe ich mich nicht als Jude zu erkennen gegeben, ich hatte Angst vor den Folgen. Jetzt sprechen mir viele ehemalige Mitschüler ihre Solidarität aus und bedauern, was passiert ist.
Was ist von der Schulleitung und den Lehrern zu hören?
Schulen verschleiern gern antisemitische Vorfälle. Es gibt auch keine konstante Arbeit an dem Problem. Aus Imagegründen mal eine ­Synagoge zu besuchen, damit die Schüler sehen, dass das Judentum gar nicht so schlecht ist, ist keine Arbeit gegen Antisemitismus.
Hat sich der jüngste Gaza-Krieg insgesamt auf das gesellschaftliche Klima in Offenbach ausgewirkt?
Es gab Pro-Gaza-Demonstrationen, auf denen antisemitische Parolen zu hören und zu lesen waren. Dass sich das Klima verschlechtert hat, bestätigen mir auch andere Juden auf Facebook. Viele solidarisieren sich mit mir und sagen: Das, was du erlebt hast, ist Alltag in Deutschland.