Mehr als Symbolik

»Genug geschwiegen« steht auf dem Transparent an der Spitze der Demonstration. Dahinter gehen zehn Personen in weißen T-Shirts, auf denen die Gesichter der zehn Todesopfer des »Nationalsozialistischen Untergrunds« zu sehen sind. Drei Jahre sind seit dessen Selbstenttarnung vergangen. In Berlin wurde das zum Anlass genommen, um mit einer Demonstration zu erinnern, dass jenseits offizieller Sonntagsreden keine ernsthaften Konsequenzen gezogen wurden. In den Redebeiträgen, die am Samstag auf der Route durch den Wedding gehalten werden, wird betont, dass Rassismus in großen Teilen der Bevölkerung wie auch in den Staatsapparaten fest verankert sei. Knapp 1 500 Menschen beteiligen sich an der Demonstration, bei der es nur einen ernsthaften Zwischenfall gibt. Aus einem Haus wird ein schweres Gefäß auf die Demonstranten geschleudert, zum Glück trifft es niemanden. Auf der Abschlusskundgebung betonen mehrere Redner, dass der Kampf um das Gedenken an die NSU-Opfer weitergeht. In vielen Städten wollen Angehörige die Straßen, in denen ihre Verwandten ermordet wurden, nach den Opfern benennen. Überall wurde dieses Ansinnen abgewiesen oder verzögert. In einigen Fällen sammelten Anwohner sogar Unterschriften gegen eine Umbenennung. Mit symbolischen Straßenumbenennungen haben Angehörige und antirassistische Gruppen in Hamburg und Berlin deutlich gemacht, dass sie es nicht akzeptieren, dass den Angehörigen selbst diese Geste der Anerkennung verweigert wird. Von der Politik können sie keine Unterstützung erwarten. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) besuchte am 31. Oktober das Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln und lobte dessen Beitrag für die Sicherheit Deutschlands. Die ungeklärten Fragen über die Rolle dieses Dienstes beim Umgang mit dem NSU reduzierte Merkel auf »ein paar Dinge aus der Vergangenheit«. Es ist zu befürchten, dass sie damit großen Teilen der deutschen Bevölkerung nach dem Munde redet.