Der Wahlkampf in Rumänien

Balkan gegen Deutschland

In Rumänien tritt Ministerpräsident Victor Ponta am 16. November in einer Stichwahl um die Präsidentschaft gegen Klaus Johannis an. Der Wahlkampf wird als Wettkampf zweier Kulturen inszeniert.

In Rumänien steigt das Wahlkampffieber: Im Fernsehen, den Sozialen Medien und den schicken Cafés Bukarests wird heftig debattiert. Insgesamt 14 Kandidatinnen und Kandidaten des ganzen politischen Spektrums haben in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl vom 2. November um die Stimmen der mehr als 18 Millionen Wahlberechtigten geworben. Nur zwei Bewerber gehen am 16. November in die Stichwahl: Der sozialdemokratische Ministerpräsident Victor Ponta, der im ersten Wahlgang rund 40 Prozent der Stimmen bekam, und sein Herausforderer, Klaus Johannis von der Nationalliberalen Partei (PNL), der 30 Prozent der Stimmen erhielt.
Zwar hat der Präsident in Rumänien nur wenige Kompetenzen im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich, aber er spielt für die Sicherheits- und Außenpolitik eine wichtige Rolle und hat bedeutende repräsentative Aufgaben. Dementsprechend waren auch diesmal das Interesse und die Wahlbeteiligung mit rund 52 Prozent höher als bei den Parlamentswahlen.

Ponta hat die größten Chancen, die nächsten fünf Jahre Staatschef zu werden. Seine Sozialdemokratische Partei (PSD) regiert seit 2012 und kann eine relativ gute Bilanz in der Wirtschaftspolitik vorlegen. Das Bruttoinlandsprodukt hat wieder das Vorkrisenniveau erreicht und die drastischen Sparmaßnahmen, die die wirtschaftsliberalen Vorgängerregierungen eingeführt hatten, wurden an entscheidenden Stellen wieder rückgängig gemacht. Darauf beruht Pontas Popularität, vor allem unter den Angestellten des öffentlichen Sektors, auf dem Land und in Kleinstädten sowie bei vielen Rentnern und Industriearbeitern. Er vertritt eine gemäßigte sozialdemokratische Linie, die die EU-Fiskalvorlagen im Auge behalten hat, ohne das Wirtschaftswachstum zu gefährden oder horrende soziale Einschnitte in Kauf zu nehmen. Deshalb betrachten viele seiner Anhänger die zahlreichen Korruptionsaffären, in die prominente Sozialdemokraten verstrickt sind, als zweitrangig, nicht zuletzt, weil das wirtschaftsliberale Lager von ebenso vielen Skandalen geplagt ist (Jungle World 43/2014).
Pontas Herausforderer Johannis ist der Bürgermeister von Sibiu (Hermannstadt), er gehört zur Minderheit der Siebenbürger Sachsen. Mit der Unterstützung der Christlich-Liberalen Allianz (ACL) wirbt er vor allem um die Stimmen der Mittelschicht aus den Großstädten. Genau wie Ponta vertritt er eine Vertiefung der EU-Mitgliedschaft Rumäniens, die baldige Einführung des Euro und eine klare und gemeinsame europäische Position gegen die Einmischungen Russlands in der Ukraine und in der Republik Moldau. Diese zwei Länder sollen beiden Kandidaten zufolge mittelfristig in die Nato und in die EU aufgenommen werden. Rumäniens und Europas Energieabhängigkeit von Russland soll rasch reduziert werden. Militärische Aufrüstung angesichts der »Gefahr namens Putin« sei ebenfalls dringend notwendig – so viel ist Konsens in Bukarest.
Zudem spricht sich Johannis für einen Ausbau der Beziehungen mit Deutschland und Österreich aus sowie für die Fortsetzung der bisherigen liberalen Steuerpolitik. So soll die Flatrate-Einkommensteuer von 16 Prozent weiter gelten, ebenso die 2011 eingeführten Lockerungen des Arbeitsrechts, die mitteleuropäische Investoren nach Rumänien ziehen sollen. Außerdem vertritt Johannis, anders als Ponta, die in Mittel- und Nordeuropa verbreitete Ansicht, Schuldenreduzierung sei wichtiger als Wachstum in der Realwirtschaft. Doch vor allem zieht der Kandidat der Opposition viele Wählerinnen und Wähler mit der oft wiederholten Behauptung, er als Deutscher sei eben anders als seine Gegner und könne dem Land eine neue Kultur der Arbeit, der Ehrlichkeit und der Effizienz bescheren. Damit punktet Johannis vor allem bei zahlreichen Rumäninnen und Rumänen, die von der gesamten politischen Klasse enttäuscht sind und sich eine grundlegende Reform der politischen Umgangsformen wünschen.

In seinen Werbespots schlägt Johannis mit dem Slogan »Ein anderes Rumänien: Das Rumänien der gut gemachten Arbeit« keine grundsätzlich andere Politik vor. Vielmehr versucht er, durch einen anderen Stil zu überzeugen. Im Gegensatz zu den meisten Politikerinnen und Politikern der vergangenen 25 Jahre redet er weniger, leiser, langsamer, im Gegensatz zu den langen, stürmischen und überspitzten Tiraden der Gegenkandidaten. Die Frage ist, ob dieser neue, »deutsche« Stil bei den rumänischen Wählerinnen und Wählern Erfolg haben kann. Die Reden von Johannis seien trocken, langweilig und kalt, meinen einige Kritiker. Seine Humorlosigkeit zerstöre permanent die gute Laune der Wähler, sein Rumänisch sei zwar stets korrekt, wirke aber oft ungeschickt und linkisch.
Andere Kommentatoren glauben wiederum, dass sich der Bürgermeister von Sibiu gerade durch diesen Stilbruch profilieren und am Ende gewinnen kann. Denn dadurch treffe er einen neuralgischen Punkt bei jedem Rumänen: Die Wählerinnen und Wähler wüssten nur allzu gut, dass nicht nur ihre Politiker, sondern auch sie selbst von einer »Balkan-Kultur« geprägt seien, die sie selbst nicht immer guthießen. Zu viel reden, zu viel versprechen, immer angeben, oberflächlich und leichtsinnig sein, immer gute Laune behalten, egal wie dramatisch die Situation sei – all das wird im Volksmund als »Fluch der Rumänen« betrachtet. So schreibt der linke Blogger und Publizist Costi Rogozanu: »Intelligenz, Humor und Schein statt Gründlichkeit und Fleiß: Das macht uns cool, aber macht uns das auch reich? Das ist die Frage, die vor allem die Mittelschicht beschäftigt und das Land spaltet.«