Lászlo Moholy-Nagy im Bauhaus-Archiv

Bauhaus hat jetzt W-Lan

Das Bauhaus-Archiv erklärt László Moholy-Nagy zum Pionier der postmedialen Kunstpraxis.

Das Bauhaus wird meist mit den Namen der drei Direktoren Walter Gropius, Hannes Meyer und Ludwig Mies van der Rohe verbunden. Auch die Namen der Künstler Wassily Kandinsky, Lyonel Feininger und Paul Klee sind geläufig. Erst in den vergangenen Jahren erfährt ein Bauhaus-Künstler größere Beachtung, dem das Berliner Bauhaus-Archiv nun eine Ausstellung gewidmet hat: László Moholy-Nagy. Der ungarische Künstler und Theoretiker hatte von 1923 bis 1928 am Bauhaus in Weimar und Dessau einen Lehrauftrag und gründete nach seiner Emigration in Chicago das »New Bauhaus«, das bis heute unter dem Namen »Institute for Design« existiert, sich aber weitgehend von der Tradition des Bauhaus verabschiedet hat.
Die Berliner Ausstellung, kuratiert von dem kanadischen Kunsthistoriker Oliver Botar, hat den Titel »Sensing the Future. László Moholy-Nagy, die Medien und die Künste«. Im Katalogtext heißt es, dass Moholy-Nagy eine »bahnbrechende Figur der postmedialen Kunstpraxis« sei. Das mag zwar sein, doch ist der Informationsgehalt dessen sehr gering, wenn man den Künstler und seine Zeit verstehen möchte, und etwas weniger gering, wenn man sich für die Modeworte der Kultur- und Kunstszene interessiert. Der Gegenwartsbezug, mit dem die Ausstellung direkt einsteigt, fällt insgesamt recht phrasenhaft aus. So heißt es: »Das Leben in der Flut digitaler Informationen kann uns bereichern, aber auch überwältigen. (…) Er (Moholy-Nagy) war der Meinung, dass Menschen Orientierung benötigen, um mit dieser neuen Umwelt zurechtzukommen.« Etwas Betroffenheit, etwas sozialpädagogischer Jargon; das erinnert eher an Psychologie heute denn an die Werke von Moholy-Nagy. Doch wie verhält es sich nun mit der Flut digitaler Informationen? Es heißt weiter, dass durch sein »Experimentieren mit neuen Medien Ideen und Herangehensweisen entstanden, die die heute übliche künstlerische Praxis bereits vorwegnehmen«. Das könnte man auch als Schmähung der Arbeiten des Künstlers verstehen, ist aber positiv gemeint. Doch indem man Moholy-Nagy als Protagonisten avantgardistischer Bestrebungen würdigen möchte, geschieht etwas Eigenartiges: die bruchlose Verlängerung der historischen Avantgarde in die Gegenwart. Denn Moholy-Nagy steht nicht nur für das Gegenwärtige – Flut digitaler Information, postmediale Kunstpraxis und neue Medien –, sondern für eine bestimmte ästhetische Auseinandersetzung mit den Problemen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Der kuratorische Ansatz, das Werk des Künstlers zu aktualisieren und den vermeintlichen Interessen des heutigen Publikums anzupassen, unterschlägt die Unterschiede zwischen den historischen Avantgarden der Kunst des vergangenen Jahrhunderts und der Gegenwartskunst. Doch wenn man sich von solchen Eigenheiten der Konzeption nicht abschrecken lässt, kann man in der Ausstellung einen guten Überblick über das Leben und Werk Moholy-Nagys gewinnen.
Der 1895 geborene László Moholy-Nagy nahm wichtige Einflüsse aus der geistigen Atmosphäre Budapests auf, neben Wien und Prag die dritte der Metropolen des Habsburgerreichs, gelegen an der Donau. Dort prägten das geistige Leben zwischen der Jahrhundertwende und dem Beginn des Ersten Weltkriegs unter anderem der Philosoph Georg Lukács, der Filmtheoretiker Béla Balázs, der Soziologie Karl Mannheim, der Kunsthistoriker Arnold Hauser, der Psychoanalytiker Sándor Ferenczi und der Komponist Béla Bartók. Neben den Gedanken der Zeit war für Moholy-Nagy die Errichtung der Räterepublik von nicht zu unterschätzender Bedeutung; nach ihrem Scheitern zog er nach Berlin. Er war Teil der avantgardistischen Tendenzen, die ganz Europa erfassten und für die wichtige Impulse aus der jungen Sowjetunion kamen. Moholy-Nagys »kinetisch-konstruktives System« erinnert in der Grundform an das »Monument der Dritten Internationalen«, auch »Tatlin-Turm« genannt. Moholy-Nagys Entwicklung der Möglichkeiten der Form und des Materials wie der Technik sind verbunden mit einem pädagogischen Konzept der Schulung der Sinne. Die Erweiterung des sinnlichen Vermögens der Menschen sollte nicht hinter den Möglichkeiten der industriellen Produktion zurückbleiben.
1922 veröffentlichte Moholy-Nagy in der von Theo van Doesburg herausgegebenen Zeitschrift De Stijl einen Aufsatz mit dem Titel »Produktion – Reproduktion«. Wie Walter Benjamin einige Jahre später in seinem berühmt gewordenen Aufsatz »Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit« analysiert Moholy-Nagy die neuen Bedingungen, die durch die Entwicklung und Verbreitung von Reproduktionstechniken in der Kunst geschaffen wurden. Für Moholy-Nagy stellt sich das Problem, dass die Reproduktionstechniken zuerst eine quantitative Vergrößerung des sinnlichen Reichtums darstellen – durch die Reproduzierbarkeit. Wie lassen sich diese Techniken allerdings zur qualitativen Vergrößerung, das heißt Verbesserung, des sinnlichen Reichtums nutzen? Dieses Problem stellt sich der Kunst. Die Kulturindustrie führt die Einheit von gesteigerter Produktion und Anwendung neuester Techniken bei gleichzeitiger sinnlicher Verarmung vor. Kunst ist in der misslichen Lage, es sich mit der Frage der Reproduzierbarkeit nicht derart einfach machen zu können. Moholy-Nagy schlägt die Nutzung von Grammophon, Fotografie und Film zur Schaffung nie dagewesener Sinneseindrücke vor. Im Zuge dessen entwickelte er, ebenso wie Man Ray, das Photogramm. Seine Entwürfe zum Totaltheater, eines optophonetischen Kunstraums, sind ungebrochen modern; von den heutigen Clubs unterscheidet sie der revolutionäre Anspruch. Moholy-Nagy arbeitete mit Licht, Film, Fotografie, Metall. Wenn er, wie die Ausstellung es auch zeigt, auf Leinwand arbeitet, wirkt dies plötzlich erstaunlich antiquiert. Die einzelnen Werke, von der »Partiturskizze einer mechanischen Exzentrik« über die Fotografien von Eiffel- und Funkturm bis zum »Licht-Raum-Modulator«, wie die Schriften, um nur »Malerei Fotografie Film« in der Reihe Bauhausbücher und »Vom Material zur Architektur« zu nennen, sind faszinierende Zeugnisse eines politischen und ästhetischen Programms.
In der Ausstellung werden den Werken Moholy-Nagys Arbeiten von Künstlern der Gegenwart an die Seite gestellt. Das ist mal mehr und mal weniger gelungen. Man kann das Buch »Aromapoetry« von Eduardo Kac durchblättern, das kurze Sätze mit verschiedenen Düften verbindet. Das ist teils von unfreiwilliger Komik oder prosaischer Ehrlichkeit: »Thinking at You while looking at a bird« erinnert stark an den Duft eines WC-Erfrischers.
Ganz wunderbar ist eine Installation »Flow« der Künstlerin Erika Lincoln aus zahlreichen Plexiglaspfeilen, die an kleinen Motoren befestigt und von diesen bewegt in der Luft hängen und aus der Ferne betrachtet eine nahezu immaterielle Gestalt aus Lichtreflexen annehmen. Hier wird die Modernität der Ideen Moholy-Nagys gegenwärtig.

Sensing the Future. László Moholy-Nagy, die Medien und die Künste. Bauhaus-Archiv/Museum für Gestaltung. Berlin. Bis 2. Februar 2015