Neonazis in der Schweiz

Der starke Arm der Partei

Die Partei National Orientierter Schweizer hat einen eigenen Sicherheitsdienst gegründet: den »Ahnensturm«.

Die Partei National Orientierter Schweizer (PNOS) wurde im Jahr 2000 gegründet. Seither fiel die Partei nicht nur mit rassistischer Hetze auf, sondern auch durch Verbindungen zu rabiaten Nazis. Nun hat die PNOS selbst einen militanten Arm: Anfang des Jahres gründete sie eine eigene Sicherheitstruppe, den »Ahnensturm« (AS).

In einem Pressekommuniqué des AS ist zu lesen, die Organisation sei entstanden, weil die Partei ihre Treffen »störungsfrei durchführen« wolle. In der Schweiz gelte zwar Veranstaltungsfreiheit. Doch da es bei Veranstaltungen der PNOS häufig zu Zwischenfällen komme und der Staat sich unfähig zeige, dies zu verhindern, müsse man sich selbst helfen. Der AS übernehme, »was eigentlich die Aufgabe des Staates« wäre.
»Motivierte Nationalisten« können sich auf der Internetseite des AS bewerben, um am »Kampf für Blut und Boden« sowie für »Volk und Vaterland« teilzunehmen. Der Aufruf ist sehr persönlich: »Die Schweiz braucht dich!« Mitglieder erhalten ein schwarzes T-Shirt, das mit den Symbolen des AS versehen ist: Schwert, Siegeskranz, die Schweizer Flagge und der Morgenstern, der auch auf der Parteiflagge der PNOS zu finden ist. Der AS ist aber mehr als ein Sicherheitsdienst. Es sind verschiedene Abteilungen geplant, für Mitglieder gibt es auch Arbeitseinsätze und Freiluftaktivitäten. So will der AS zusammen mit der PNOS öffentliche Aufmerksamkeit erhalten und zugleich das »Schweizer Volk vor dem Untergang bewahren«.
Neu ist das Konzept des AS nicht. Die Sturmabteilung war die Kampforganisation der NSDAP während der Weimarer Republik. Sie schirmte die Versammlungen der Nationalsozialisten von Gegnern ab und sabotierte politische Zusammenkünfte anderer Gruppen. 1973 gründete Karl-Heinz Hoffmann die nach ihm benannte »Wehrsportgruppe«, die mit ungefähr 400 rechtsextremen Mitgliedern bald die größte in der Bundesrepublik wurde. Man trainierte im Freien Kampftechniken, Überlebensstrategien und den Waffengebrauch. 1980 wurde die Gruppe verboten. Verbrechen wie die Ermordung des jüdischen Verlegers Shlomo Levin und dessen Frau in Erlangen sowie das Sprengstoffattentat auf das Münchner Oktoberfest wurden damals von Mitgliedern der Wehrsportgruppe Hoffmann verübt.
Neonazis finden sich weiterhin zum Wehrsport zusammen. Auch die »Kameradschaft Süd« in München trainierte für den Kampf. Einige Mitglieder wurden zu Haftstrafen wegen des 2003 geplanten Sprengstoffattentats auf die Grundsteinlegung eines jüdischen Zentrums verurteilt. »Autonome Nationalisten« nutzten 2008 eine städtische Turnhalle in Dortmund, um ihre Techniken im Straßenkampf zu verfeinern. Es ist in der Schweiz zwar nicht üblich, dass eine Partei eine eigene Kampftruppe hat. Wer die Geschichte der PNOS kennt, wundert sich aber nicht.

Jonas Gysin und Sacha Kunz gründeten 2000 die PNOS, die in der Schweiz nach eigenen Angaben Sektionen in acht Kantonen hat. Beide Männer waren zuvor Mitglieder der Naziorganisation Blood & Honour. Die PNOS versucht bislang vergeblich, sich in der Schweizer Politik zu etablieren. Sehr gute Verbindungen hat sie hingegen international. Ihre Herkunft aus dem militanten Rechtsextremismus versucht die PNOS aus strategischen Gründen zu vertuschen. Organisationsform und Strategien wurden dabei mehrmals geändert. Im aktuellen Programm bezeichnet sich die PNOS als Partei des »modernen Nationalismus«, die einen »echten Volksstaat« errichten wolle: befreit von Globalisierung, kapitalistischer Ausbeutung, »Überfremdung«, Umwelt- und Familienzerstörung.
Wichtig ist dabei der »nationale Widerstand«. Ein Jahr nach der Parteigründung rief der Holocaust-Leugner und damalige Chefideologe der PNOS, Bernhard Schaub, zu einer »Nationalen Konferenz für die Koordination des Widerstandes« auf. Schon 2002 gab es einen Informationsabend zu einem »Parteisicherheitsdienst« (PSD). Beim Kantonalparteitag in Bern ein Jahr später war bereits dieser PSD dabei. 2008 feierten Neonazis das historische Ereignis der »Schlacht bei Sempach«. Zur Teilnahme am Aufmarsch hatte die PNOS aufgerufen, sie stellte auch eine eigene Schutztruppe auf. 2010 veröffentlichte Indymedia eine interne Mail von Jonas Gysin, in der steht, die PNOS habe bereits mehrere Sicherheitsdienste aufgebaut, doch weitere Pläne seien an ­internen Streitigkeiten sowie der mangelnden Unterstützung der Parteileitung – die wohl auf Gewaltverzicht setze – gescheitert: »Bei diesem Strategiespiel ist es eben manchmal nötig, etwas Liebgewonnenes aufzugeben, um die Partei als Ganzes weiterzubringen. So ging es mir mit dem PSD.« Die Partei hatte also offenbar schon länger eine Truppe, die meist im Hintergrund blieb und irgendwann nicht weiter ausgebaut wurde. Doch wer meldet sich nun freiwillig zur Schutztruppe? Cederic Stoller vom AS sagt nur: »Hinter ›Ahnensturm‹ stehen Parteimitglieder, die ihre Arbeit mit vollem Einsatz erledigen.«
Die PNOS hat es in der Vergangenheit durchaus geschafft, durch Provokationen Aufmerksamkeit zu erzielen. So geriet sie 2005 in die Schlagzeilen, weil sie auf ihrer Homepage ein 20-Punkte-Programm veröffentlicht hatte, in dem sie zur Rückführung »kulturfremder Ausländer« aufrief und sich inhaltlich am 25-Punkte-Programm der ­NSDAP orientierte. Zwei Jahre zuvor hatte die Partei ein Wahlplakat mit dem Slogan »Wir säubern« verwendet, auf dem ein Besen Linke aus der Schweiz fegt. 1933 war die rechtsextreme »Nationale Front« mit einem ähnlichen Plakat in den Wahlkampf gezogen.

Samuel Althof, Leiter der Fachstelle »Extremismus und Gewaltprävention«, kann den AS dennoch nicht ernst nehmen, zu klein sei die politische Relevanz der PNOS. Trotzdem besteht die Möglichkeit, dass die rechtsextreme Truppe Schlagzeilen macht und Interessierte mit Kampf­sportunterricht für die Sache begeistert. Und es kann auch gut sein, dass die PNOS erneut ihre Strategie ändert: Der Terror des »Islamischen Staats« und anderer jihadistischer Gruppen mag es der Partei opportun erscheinen lassen, eigene Kämpfer zum Schutz der Heimat auszubilden. Und sie könnte darauf hoffen, bei manchen Schweizern Verständnis für diesen Schritt zu erhalten. Wie die Vergangenheit zeigt, haben schon kleine Kampfzellen ein großes Gewaltpotential: Bei Hausdurchsuchungen der »Helvetischen ­Jugend« 2004 wurden Hieb- und Stichwaffen, Schrotflinten und Teile von Armeegranaten gefunden. Die Kombination von Waffenfanatismus und rechtsextremem Gedankengut ist eine explosive Mischung. Noch im Dezember 2014 beklagte sich die Züricher Sektion darüber, dass »die Medien die PNOS weiterhin totschweigen« – dies ist nun nicht mehr der Fall.