Für Hochstapler

Gesinnungen jeder Art seien abzulegen, forderte Walter Serner in seinem Manifest »Letzte Lockerung. Ein Handbrevier für Hochstapler und solche, die es werden wollen«, das beim ersten Vortrag 1918 während einer Dada-Soirée zu Tumulten führte. »Weltanschauungen sind Vokabelmischungen«, warf er den Zuhörern an den Kopf und schrie an gegen den Krieg, die Revolution, die Wahrheit der Sprache, Metaphysik, Moral und Theorie. Und gegen Dada selbst: Für die Buchveröffentlichung des immer weiter angewachsenen Textes im Jahr 1927 hatte er sämtliche Bezüge zum Dadaismus gestrichen. Veröffentlicht wurde ein präsituationistischer Text über die Verkommenheit der Gesellschaft, der jetzt in Auszügen von Dirk von Lowtzow eingelesen und gesungen wurde und als Hörbuch erschienen ist. Seine Stimme fängt die Ironie und Lakonie des Textes ein, die assoziative Gedankenführung, die die Sinnhaftigkeit wissenschaftlicher und literarischer Texte und die Gattung des Manifests hinterfragt. Zeitblom hat mit elektronischen Sounds, die sich aufbauen, in sich zusammenbrechen oder ins Leere laufen, mit Störgeräuschen und Disharmonien einen Rahmen geschaffen, der die Radikalität des Manifests spiegelt. Bereits 1925 wurde Serner mit dem wachsenenden Antisemitismus konfrontiert. Sein literarischer Weg führte von der großen revolutionären Geste über die Aphorismen ins künstlerische Verstummen. Ab 1927 hat er nicht mehr publiziert. 1942 wurde er mit seiner Frau nach Theresienstadt deportiert und ermordet.

Walter Serner/Dirk von Lowtzow/Zeitblom: Letzte Lockerung (intermedium)