Freundschaft

Jeder, der einen Facebook-Account hat, ist heute letztlich Netzaktivist, und somit muss jeder Post, jeder Like sorgfältig bedacht und auf alle möglichen Konsequenzen hin befragt werden. Am schlimmsten aber ist die korrekte Annahme von Freunden. Sehr früh habe ich mich entschlossen, einfach nichts Privates zu posten und dafür alle Leute anzunehmen, die mich anklicken. Jemanden zurückweisen, einfach so, weil man ihn nicht kennt, aufgrund eines doofen Fotos oder eines ungeschickt gewählten Pseudonyms – das brächte ich nicht übers Herz. Leider aber hat sich die Idee der Spam-Mail auch auf Facebook übertragen, und nun sind die nigerianischen Militärattachés, die einem sonst nur Briefe schreiben, plötzlich an einer echten zwischenmenschlichen Beziehung mit mir interessiert. Es häufen sich die Anfragen von Menschen, die in weit entfernten afrikanischen oder asiatischen Ländern leben – und die auf ihrer Seite natürlich nicht erwähnen, dass sie nur jemanden suchen, der die 18 Milliarden Dollar aus dem somalischen Rentenfonds der Großtante des Premierministers auf den Caymans überweist. Nehme ich diese Leute an, schreiben mir andere Freunde wütende Briefe des Inhalts, warum ich mich denn mit Spammern einlasse. Mit Recht! Doch im Moment der Annahme-Entscheidung ist der einzige Hinweis auf einen potentiellen Spammer die Hautfarbe, die sie oder er im Profil zeigt. Soll ich denn Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe die Freundschaft verweigern? Auch das könnte ich nicht mit meinem Gewissen vereinbaren. Andererseits: Vielleicht handelt es sich ja um käufliche Facebook-Freunde? Die ein Rivale für mich gekauft hat, um mich dann für meine falschen Freunde denunzieren zu können? Ganze Dschungelcamp-Karrieren sind an so etwas zerbrochen! Das Leben ist so schrecklich kompliziert geworden …