Frauen im Islamischen Staat

Nur Kinder, Küche und Koran

Eine IS-Frauenbrigade hat ein Manifest für Frauen verfasst. Das beschreibt in klaren Worten, welch ödes Leben gute Jihadistinnen führen sollen. Tatsächlich ist Frauen im Islamischen Staat sogar noch weniger erlaubt, als das Handbuch behauptet.

Wenn Frauen arbeiten, ist das Zwang. Mädchen können schon mit neun Jahren verheiratet werden, lesen sollen sie den Koran und lernen, wie man Kinder aufzieht. Mit klaren Worten beschreibt das IS-Frauen-Manifest die Rolle der Frau. Das Dokument »Frauen im Islamischen Staat – ein Manifest und eine Fallstudie« wurde Ende Januar von der Medienabteilung der al-Khanssaa-Brigade ins Netz geladen. Al-Khanssaa ist eine von zwei bekannten Frauenbrigaden, die im syrischen Raqqa, der Quasi-Hauptstadt des Islamischen Staats, auf den Straßen patroullieren, immer auf der Suche nach Frauen, die den falschen Gesichtsschleier tragen oder keinen männlichen Begleiter haben.
Der Text wurde nun von der britischen Quilliam-Stiftung aus dem Arabischen übersetzt. Die Stiftung merkt im Vorwort an, dass das Manifest wohl mit Absicht nur auf Arabisch erschienen ist und vor allem Frauen aus den Golfstaaten überzeugen soll, sich dem IS anzuschließen. »Es erlaubt uns, hinter die Kulissen dessen zu schauen, was westliche IS-Unterstützer in sozialen Medien verbreiten, und die Geisteshaltung von hunderten, vielleicht tausenden Frauen, die bereit sind, dem IS zu folgen, zu verstehen«, schreibt die Stiftung.
Für Rekrutinnen aus westlichen Ländern könnte die Darstellung des Frauenlebens tatsächlich sehr trist anmuten. IS-Anhängerinnen aus Europa haben ihr Leben im »Kalifat« häufig als deutlich aufregender dargestellt – mit Twitter-Postings von Kalaschnikow schwenkenden Niqab-Trägerinnen und Ankündigungen, sie freuten sich darauf, ihren ersten Ungläubigen zu töten.
Auch die zu großen Teilen westlichen Frauen der al-Khanssaa-Brigade posten gern solch martialische Bilder von sich. Im September zirkulierte ein Foto von der Britin Bint Usama mit einem abgeschlagenen Kopf in der Hand.
Doch das ist nicht die Rolle, die die Autorinnen des Manifests für die Mehrheit der Frauen vorgesehen haben. Eine gute Muslima, behaupten sie, bleibe im Haus und sei glücklich, nicht auf die Straße gehen zu müssen. Arbeit, für die man das Haus verlassen müsse, habe Gott für Frauen nicht vorgesehen. »Frauen haben dieses himmlische Geheimnis der Sesshaftigkeit, der Stille und Stabilität.«
Soweit unterscheidet sich das Dokument kaum von anderen Publikationen diverser Jihadisten und Salafisten zur Rolle der Frau. Auffallend ist jedoch, dass häufig Bezug auf die »Stille« und die »Sesshaftigheit« genommen und betont wird, dass dies keineswegs mit Faulheit gleichzusetzen sei, wie es die »Soldaten Luzifers« behaupten. Da es nach der Auffassung der Autorinnen oberste Aufgabe der Frau ist, viele Kinder in die Welt zu setzen, diese im Sinne des Glaubens zu unterweisen und natürlich auch den Mann zu umsorgen, fragt man sich, was dies mit Stille und Sesshaftigkeit zu tun haben soll. Womöglich beschreiben sie hier weniger, was sein soll, sondern reagieren auf das, was derzeit konkret die Braut eines IS-Kämpfers erwartet. Auch dass andere weibliche Verwandte und insbesondere die Großmutter keine Erwähnung finden, die sonst in der Rhetorik von Islamistinnen als Figuren einer idealisierten Frauengemeinschaft eine große Bedeutung haben, weist daraufhin, dass dieses Manifest doch eher ein Handbuch für die konkrete Situation ist.
Die IS-Frauen nennen auch ein paar Ausnahmen, wann Frauen auf die Straße gehen dürfen – und benennen damit zugleich sehr deutlich die Grenzen der Bewegungsfreiheit. Erlaubt ist das Verlassen des Hauses nur dann, wenn die Frau Theologie studiert, wenn sie Ärztin oder Lehrerin ist oder wenn sie dringend im Jihad gebraucht wird, sofern das durch eine Fatwa sanktioniert ist, »wie die Frauen im Irak und in Tschetschenien es mit großer Trauer taten«.
Die Erlaubnis zum Kampf im Jihad ist durchaus ungewöhnlich und entspricht nicht dem, was al-Qaida für Frauen vorsieht. Damit haben die Autorinnen sich ihren eigenen Lebensstil legitimiert, der eher wenig ruhig ist. Die Frauenbrigaden des IS sind schließlich ständig auf der Straße und kontrollieren die Kleidervorschriften, die jüngst noch verschärft wurden. Ein Niqab, also der Gesichtsschleier mit Augenschlitz, reicht nicht mehr. Auch die Augen dürfen nicht sichtbar sein, daher muss darunter ein dünnes Tuch die Augen bedenken. Stellen die Brigadistinnen einen Vorschriftsverstoß fest, peitschen sie die Delinquentinnen in manchen Fällen auch aus.
Außerdem fungieren die Frauenbrigaden als eine Art Geheimpolizei, wie die antiislamistische Gruppe »Raqqa is being slaughtered silently« berichtet. Da Frauen in ihrem Gewand fast ununterscheidbar sind, eignen sie sich für die Observation möglicher Dissidenten.
Wer allerdings nicht Brigadistin, Lehrerin oder Ärztin ist, dürfte ein sehr langweiliges Leben führen. Nicht einmal zum Beten dürfen Frauen das Haus verlassen, stellen die Autorinnen klar. Und weil das womöglich doch zu etwas Unmut führt, wird das Herumsitzen im Haus mit der Arbeit eines Filmregisseurs verglichen, der hinter den Kulissen waltet.
Auch an anderer Stelle wird geschönt. So behaupten die Autorinnen in einer Passage, die die große Sicherheit für Frauen im Islamischen Staat lobt, Frauen könnten nun unbelästigt auf dem Markt flanieren und ihre Waren dort anbieten. Tatsächlich ist beides wohl kaum möglich. Nach Berichten von Menschen, die im Islamischen Staat leben, ist es Frauen nur erlaubt mit ihrem männlichen Vormund auf die Straße zu gehen, also mit ihrem Vater, Mann, Bruder oder Sohn, der immer ein entsprechendes Papier bei sich tragen muss, wonach er berechtigt ist, auf diese Frau aufzupassen. Händlerinnen gibt es auf dem Markt nicht. Selbst Dienstleisterinnen für Frauen dürfen kaum noch arbeiten. So wurden gerade auf Anordnung des IS in Mosul alle Friseursalons für Frauen geschlossen, berichtet der britische Guardian. In Raqqa arbeiten kaum noch Ärztinnen. Die wenigen verbliebenen Krankenschwestern müssen wie auch Lehrerinnen in den reinen Mädchenschulen bei der Arbeit immer das volle islamische Gewand tragen, auch schwarze Handschuhe. Die Arbeitsmöglichkeiten für Lehrerinnen sind deutlich geschrumpft. Denn die neueingerichteten Mädchenschulen bieten nurmehr eine Grundbildung an.
Die ideale Bildung für Mädchen, schreiben die Autorinnen des Manifests, solle mit sieben Jahren beginnen und mit 15 enden. Bis sie zehn sind, sollen Mädchen vor allem in islamischer Religion unterwiesen werden, aber auch Naturwissenschaften und Buchhaltung stehen auf dem Lehrplan. Kochen, Handarbeit und Stricken lernen Mädchen ab zehn Jahren. Schülerinnen, die älter als 13 Jahre sind, werden nicht weiter in den Naturwissenschaften unterrichtet. »Die Grundlagen werden dann schon unterrichtet sein«, heißt es. Stattdessen soll nun Kinderpflege und Islamische Geschichte gelehrt werden. Spätestens mit 16 oder 17 sollen die Mädchen heiraten.