Hinrichtungen in Indonesien

Präsident ohne Gnade

Der neue indonesische Präsident Joko Widodo enttäuscht viele, die sich eine verbesserte Menschenrechtslage erhofft haben. Er lässt wieder Todesurteile vollstrecken.

Der neue Präsident Indonesiens, Joko Widodo, genannt Jokowi, ist gerade knapp über 100 Tage im Amt, schon macht sich unter seinen Anhängern Enttäuschung breit. Bereits bei der Zusammenstellung seines Kabinetts wurde ersichtlich, dass wieder einmal Parteigenossen und Vertreter der alten Seilschaften anstelle von kompetenten Technokraten das Rennen machten. Nun versucht er vor allem, sich durch die Vollstreckung von Todesurteilen als »starker Mann« zu präsentieren.
Unter der Vorgängerregierung war die Todesstrafe fünf Jahre lang ausgesetzt worden, im Januar wurden erstmals wieder sechs Drogenschmuggler hingerichtet. Etwa 60 weiteren Menschen droht derzeit dasselbe Schicksal. Mehrere Hinrichtungen stehen unmittelbar bevor, nachdem Jokowi sämtliche Gnadengesuche der vorerst elf Betroffenen abgelehnt hatte, zum Teil ohne diese zu lesen. Auch gegenüber internationalen Appellen von Regierungen, den Vereinten Nationen und Menschenrechtsorganisationen, die eine dauerhafte Aussetzung der Todesstrafe erhoffen, zeigt sich der Präsident unbeirrbar.

Dieser harte Kurs hat außenpolitische Konsequenzen. Zunächst zogen Brasilien und die Niederlande ihre Botschafter aus Indonesien ab, aus Protest gegen die Hinrichtung von zwei ihrer Staatsbürger. Da demnächst ein weiterer Brasilianer hingerichtet werden soll, obwohl ihm Schizophrenie attestiert wurde, was nach internationalem Recht eine Exekution verbietet, ging die brasilianische Regierung noch einen Schritt weiter. Als sich Mitte Februar der neue indonesische Botschafter in Brasilien bei Präsidentin Dilma Rous­seff vorstellen wollte, lehnte sie es ab, ihn zu empfangen. Indonesien reagierte extrem empört und droht, diverse Handelsvorhaben mit Brasilien abzubrechen.
Auch die Beziehungen zu Australien haben sich verschlechtert, nicht zuletzt, da unter den elf Todeskandidaten zwei Australier sind. Andrew Chan und Myuran Sukumaran wurden 2005 beim Versuch, über acht Kilo Heroin nach Australien zu schmuggeln, in Bali festgenommen und anschließend zum Tode verurteilt. Beide gelten als vollständig rehabilitiert und haben sich mit ihren gemeinnützigen Projekten und ihrer Fürsorge für andere Inhaftierte im balinesischen Gefängnis Kerobokan einen Namen gemacht. Australiens Premierminister Tony Abbott erinnerte an die Finanzhilfe in Höhe von einer Milliarde australischer Dollar, die sein Land Indonesien zum Wiederaufbau nach dem Tsunami von 2004 zur Verfügung gestellt hatte, da er sich deswegen eine Art Ausnahmeregelung erhoffte. Doch Jokowi hält den internationalen Gnadengesuchen entgegen, Indonesien habe das Recht, Drogendealer von Exekutionskommandos erschießen zu lassen.

Nach außen verteidigt er Indonesiens politische Souveränität nicht nur mit ultranationalistischer Rhetorik, sondern auch mit aufgeblähten Statis­tiken über Drogenopfer in Indonesien. Seine Haltung zur Todesstrafe erscheint noch absurder angesichts der über 200 indonesischen Arbeitsmigranten in Malaysia und Saudi-Arabien, die dort von der Todesstrafe bedroht sind – der Großteil wegen Drogendelikten. Die indonesischen Botschaften haben in letzter Zeit enorme Mittel bereitgestellt, um ihre Staatsbürger vor Gericht zu unterstützen. In einigen Fällen hat die indonesische Regierung sogar »Blutgeld« in Millionenhöhe an Familien von Opfern im Ausland gezahlt und damit indonesische Täter freigekauft.
In Hinblick auf die Aufarbeitung der vielen Menschenrechtsverletzungen in Indonesien, die sich viele Anhänger Jokowis erhofften, enttäuscht der Präsident ebenfalls. Nicht nur wurden kritische Filme wie Joshua Oppenheimers »Look of Silence« über die Opfer der antikommunistischen Massaker von 1965/66 von der indonesischen Zensurbehörde in einigen Teilen des Landes verboten, anderswo unterbanden militante Gruppen Aufführungen des Films sogar mit Gewalt. Ende Februar wurde zudem in West-Sumatra ein geplantes Treffen von Überlebenden der Massaker mit Unterstützung des Militärs noch vor Beginn gewaltsam aufgelöst.