Der Protest gegen Legida in Leipzig lässt nach

Totgesagte laufen länger

Trotz gelangweilter und resignierter Gefolgschaft läuft Legida immer noch jeden Montag durch Leipzig. Die Zahl der Gegendemonstranten lässt nach.

»Legida – läuft nicht!« So lautet das Motto der antifaschistischen Proteste gegen die allwöchentlichen Aufmärsche des rassistischen Bündnisses in Leipzig. Aber Legida läuft – und das seit Monaten. Am Montag fand der mittlerweile neunte »Abendspaziergang« statt. Die Teilnehmerzahlen haben sich auf konstant hohem Niveau eingespielt, jede Woche drehen an die 800 völkische Wutbürger und neonazistische Hooligans ihre Runde in der Stadt.

Legida hatte sich Anfang Januar als der rabiate Ableger von Pegida gegründet. Von Beginn an waren die Aufmärsche deutlich aggressiver, auch die Verbindungen in neonazistische Kreise waren offensichtlicher als in Dresden. Die Organisatoren haben sowohl Kontakte zur Alternative für Deutschland (AfD) als auch zur Hooligan-Szene. Neonazis aus Leipzig und dem Umland rufen zu den Aufmärschen auf. Der Landtagsabgeordnete Sebastian Striegel (Grüne) hatte Legida Ende Januar als »Ansammlung von Nazis, Hools, ressentimentgeladenen Wendeverlierern und Edelrassisten« und als »Naziaufmarsch 2.0« bezeichnet.
Der aggressivere Charakter von Legida zeigt sich nicht nur durch die demonstrativ im Stadtgebiet flanierenden Hooligans, mit denen es am Rande der »Abendspaziergänge« immer wieder zu Auseinandersetzungen kommt. Ein Blogger aus Leipzig erhielt wegen eines ironischen Kommentars auf der Facebook-Seite von Legida eine an seinen Arbeitgeber adressierte Droh-Mail, verbunden mit der Aufforderung, »seine linke Kommunistendreckschnauze zu halten«. Denn sonst benötige er »bald einen Rollstuhl«. Vor zwei Wochen wurde nachts eine Außenstelle der Leipziger Volkszeitung (LVZ) angegriffen und mit dem Wort »Lügenpresse« besprüht. Als sich der Legida-Anführer Silvio Rösler vergangene Woche auf der Bühne von der Tat distanzierte, stimmten Teilnehmer der Versammlung erneut ihren geliebten Sprechchor »Lügenpresse« an.
Widersprüche und diffuse Inhalte sind bei Legida weiterhin bestimmend. Redner hetzen gegen die USA und fordern den Schutz der deutschen Sprache und Kultur. Zugleich werden die Montagsdemonstrationen aber mit dem Spruch »Revolution – Made in Saxony« beworben. Die Traditionslinien ihrer Protestbewegung reichten gar bis zu den Bauernaufständen im 16. Jahrhundert zurück, behaupten sie. Und immer wieder wird offen formuliert, worum es dem rassistischen Mob eigentlich geht. »Uns’re Nationen soll’n aufgelöst werden, durch Invasion riesiger, fremder Herden«, dichtete Erhard Kaiser, ein Alt-89er, vergangene Woche auf der Bühne.
Jede Woche ertönen also rassistische Parolen und Beschwörungen einer völkischen Endzeitstimmung, die zum Kampf anstacheln sollen, mitten in der Innenstadt Leipzigs. Und niemanden interessiert es. War die Innenstadt vor wenigen Wochen noch an Montagen im Ausnahmezustand, gehen die Menschen mittlerweile nur zwei Straßen entfernt von den Legida-Aufmärschen gemütlich shoppen. »Offensichtlich ging es 30 000 Leipzigerinnen und Leipzigern vor zwei Monaten doch nur darum, einmalig zu zeigen, wie ›weltoffen und tolerant‹ so richtig knorke geht, um danach wieder auf die Couch zurückzukehren«, schreibt das Bündnis »Refugees welcome« auf seiner Homepage.
Tatsächlich scheint sich die Leipziger Öffentlichkeit damit abgefunden zu haben, dass jede Woche ein rassistischer Mob Fahnen schwenkend und Parolen brüllend durch die Stadt zieht. Bürgerlicher Protest bleibt mittlerweile aus – und dies, obwohl Leipzig gerade erst unter dem Motto »Toleranz. Vielfalt erleben« zu den »Internationalen Wochen gegen Rassismus« eingeladen und seine Weltoffenheit gefeiert hatte. Am Montag vergangener Woche war als Gegenprogramm zu Legida jedoch nur ein Kochkurs angekündigt: »Leipziger Allerlei – bunt im Topf, bunt im Kopf«.

Aber auch die antifaschistischen Proteste bringen nur noch wenig mehr Menschen auf die Straße als ihr rechter Gegenpart. An der Demonstration unter dem Motto »Refugees welcome« vergangene Woche nahmen gerade einmal 300 Leute teil, ohne Lautsprecherwagen ging es im Schnellschritt einmal um die Innenstadt. Zeitgleich tanzten mehrere hundert Menschen unter dem Motto »no bassarán« dem Versammlungsort von Legida entgegen, wo »Die Partei« – mittlerweile ebenfalls fester Bestandteil des Rituals – vor Ankunft der rassistischen Demonstranten mit Satire (»Bier trinkt das Volk«) protestierte. Die Polizei hat ebenfalls ihren Platz in den wöchentlichen Festspielen gefunden und sperrt konsequent alle Straßen ab, die sich für eine Blockade des Legida-Umzugs eignen würden. Sowohl Legida als auch die Gegenproteste haben sich ritualisiert, die Lokalzeitung LVZ freut sich, wenn sie berichten kann, dass es zu keinen größeren Störungen kam. Hauptsache, die Ordnung bleibt bestehen.
Bisweilen bekommt diese Ordnung im Umfeld der rechten Aufmärsche noch kleine Risse. Anfang März wurde Alexander Kurth, verhinderter NPD-Stadtratskandidat und Gründer des Landesverbandes Sachsen der neonazistischen Partei »Die Rechte«, an einem Legida-Montag gleich zweimal verprügelt: zuerst auf dem Weg zur Legida-Demonstration, und dann ein weiteres Mal im Anschluss in einer Kneipe am Rande Leipzigs. Mitte Februar fiel das Auto des Legida-Anwalts Arndt Hohnstädter, der zugleich als »Haus- und Hofanwalt der NPD« (Welt) fungiert, einem Brandanschlag zum Opfer, vergangene Woche traf es in Wurzen das Auto des stellvertretenden Legida-Anführers Markus Johnke. Dass solche militanten Angriffe Legida am Laufen hindern werden, ist indes nicht zu erwarten.
Auf Seiten der Legida-Anhänger macht sich aus anderen Gründen langsam Resignation breit. In den Diskussionen auf der Facebook-Seite mehren sich gelangweilte und enttäuschte Stimmen. »Komme mir langsam blöd vor. Wir gehen jeden Montag spazieren und nix passiert«, schreibt ein Anhänger und schlägt einen »flashmopp« (sic!) in Berlin vor. Auch der Aufruf der Organisatoren, »Jeder bringt einen mit«, klingt ein wenig verzweifelt. Vermeintliche Prominenz auf der Bühne soll daher die Leute bei Laune halten. Götz Kubitschek, verantwortlicher Redakteur der neurechten Zeitschrift Sezession, stand bereits auf dem Podium (siehe auch Seite 7). Diese Woche sprach Michael Mannheimer, unter anderem Autor für PI-News, der bereits vor vier Jahren zum Widerstand gegen die vermeintliche Islamisierung Deutschlands aufgerufen hatte, und zwar »ausdrücklich mit allen Mitteln, auch bewaffnet und unter Bedingungen eines Bürgerkriegs«. Die Staatsanwaltschaft ermittelte damals. Bald soll bei Legida dann auch mal eine Band spielen.

Dass sich Legida in Kürze selbst erledigt haben würde, wie die meisten Analysen und Berichte Anfang des Jahres noch vorausgesagt hatten, zeichnet sich derzeit dennoch nicht ab. Das haben auch andere verstanden: Fernbusunternehmen haben ihre Abfahrtsorte am Montag »wegen Demos« dauerhaft an eine andere Stelle verlegt. Gemeinsam mit der bürgerlichen Öffentlichkeit Druck aufzubauen – ein Konzept, das bei manchen linken Gruppen ohnehin in der Kritik steht –, scheint in Leipzig wenig erfolgversprechend zu sein. So stellt sich denjenigen, die sich immer noch nicht mit einem allwöchentlichen rassistischen Aufmarsch abfinden wollen, die Frage, wie damit umzugehen ist. Nur auf die Zeit zu vertrauen, ist nicht aussichtsreich.