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Man kann unserer Zeitung vieles vorwerfen, aber nicht, ein Blatt der Frühaufsteher zu sein. Wie es bei Ihnen aussieht, liebe Leserinnen und Leser, wissen wir natürlich nicht, sicherlich sind viele unter Ihnen, die Kinder zu unmenschlichen Zeiten zur Schule bringen müssen, Nachtschichten schieben oder einem geregelten Nine-to-five-Job nachgehen. Der Traffic auf unserer Facebook-Seite zeigt uns aber, dass viele unsere Leserinnen und Leser eher nachtaktive Menschen sind, die oft mitten in der Nacht Beiträge posten, teilen und kommentieren oder herumtrollen.
Das ist bei uns in der Redaktion nicht anders. Unser Social-Media-Team ist rund um die Uhr in den einschlägigen Netzwerken unterwegs, während die Fraktion der Facebook- und Twitter-Verweigerer – das nennen wir »legitime Social-Network-Kritik« – eher analoge Kontakte pflegt. Morgens um neun schon am Redaktionsschreibtisch zu sitzen, ist daher nicht wirklich eine Option. Das sollte eigentlich für alle gelten. Denn: Sind wir nicht alle in unserer Kindheit und Jugend traumatisiert worden und haben wir nicht alle daraus unsere Lehre gezogen? Alles, was vor neun beginnt, ist Barbarei – außer vielleicht After-Hours.
Groß war also der Schock, als wir feststellen mussten, dass unsere Kolleginnen und Kollegen der Taz, die wir bisher für Gesinnungsgenossen hielten, zu Anhängern der Frühauftsteherdiktatur geworden sind: Nicht nur stehen sie selbst früh auf, sie wollen uns dazu zwingen, es auch zu tun! Und das Schlimmste ist: Wir können uns nicht entziehen. Wer erleben möchte, wie Redakteurinnen und Redakteure der Jungle World kurz nach Sonnenaufgang aussehen, sollte am kommenden Samstag zum Haus der Kulturen der Welt in Berlin zum Taz-Lab kommen. Auf dem »Gedöns-Kongress« der Taz werden wir mit zwei Veranstaltungen und einem Stand präsent sein, und zwar schon um 9 Uhr morgens. Unter dem Titel »Hat der Säkularismus noch eine Zukunft?« werden Mina Ahadi, die Vorsitzende des Zentralrats der Ex-Muslime, und Hannah Wettig, freie Journalistin, über Meinungsfreiheit und Selbstzensur nach dem Massaker in den Redaktionsräumen von Charlie Hebdo diskutieren. Die Podiumsdiskussion findet im Zelt 1 statt und wird von unserem Autor Carl Melchers moderiert. Die zweite Veranstaltung mit dem Titel »Wie quer steht die Front?« findet zu einer humaneren Zeit statt. Um 14.45 werden die Publizistin Jutta Ditfurth und unser lieber Ex-Kollege Ivo Bozic im Café Global über Montagsdemos, Friedenswinter, Pegida und den neuen deutschen Populismus diskutieren und der Frage nachgehen: Wie kann sich die Linke gegen völkische Formationen ­abgrenzen? Moderiert wird die Podiumsdiskussion von unserer Thema-Redakteurin Federica Matteoni.