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Mittlerweile sind wir das gewohnt. Seit die Redaktionsräume der Jungle World in einem Gebäude in der Berliner Gneisenaustraße liegen, zieht einmal im Jahr ein Umzug an unserer Haustür vorüber, den Menschen meiden, die einigermaßen bei Verstand sind. Schließlich ist die Pflege von Volksmusik, Trachtentanz und anderem hinterwäldlerischen Brauchtum aus aller Welt, der sich der »Karneval der Kulturen« verschrieben hat, gar nicht oder nur unter schwerster alkoholischer Betäubung zu ertragen. Insgeheim scheint dies auch zahlreichen Besuchern der Veranstaltung bekannt zu sein. So wusste einer unserer Layouter von der Straße, über die der Karnevalsumzug hinwegrollte, Folgendes zu berichten: »Die ganze Hasenheide riecht jetzt nach Alkohol. Ich glaube, der Geruch kommt direkt aus den Poren des Asphalts.« Eine Kollegin aus dem Lektorat wohnt in Sichtweite des Straßenfests, das ebenfalls zum Karneval gehört. Ihre Straße wurde in ein Freilufturinal verwandelt, selbst unübersehbare Schilder mit dem Hinweis, dass es sich bei Hauseingängen nicht um Toiletten handelt, halfen ihr zufolge nicht. Mit solchen Begleiterscheinungen waren manche Redaktionsmitglieder also konfrontiert. Dem Spektakel selbst sind wir ferngeblieben. Wer will schon auf den großen Ethno-Zoo anstoßen, in dem es nicht um die einzelnen Menschen, sondern nur um die »unterschiedlichen kulturellen Traditionen und ethnischen Herkünfte« geht, wie es auf der Homepage des »Karnevals der Kulturen« heißt? Außerdem war Wochenende, da begibt sich niemand auch nur in die Nähe der Redaktion. Dennoch sollte nicht verschwiegen werden: In informellen Gesprächen auf den Redaktionsfluren hatten manche mit dem Gedanken gespielt, mit einem Stand der Jungle World am Karneval teilzunehmen. Schließlich hätten wir dann auch unverschämt überteuerte Getränke verkaufen und wie andere Gewerbetreibende der Gegend das Geschäft des Jahres machen können. Und manch hoffnungslos Betrunkenem hätten wir eine Unterschrift unter unser exklusives Lebenslang-und-sauteuer-Abo abgepresst. Naja, im kommenden Jahr vielleicht.
Ohne Rücksicht auf »unterschiedliche kulturelle Traditionen und ethnische Herkünfte« lädt die Jungle World im Rahmen der Linken Buchtage in Berlin zur Veranstaltung »Positionieren schwer gemacht. Der Ukraine-Konflikt und die Linke« ein. Ist Putin tapferer Antiimperialist oder selbst Imperialist? Regieren in der Ukraine nur Nationalisten? Was macht die ukrainische Linke? Diese und weitere Fragen diskutieren Ute Weinmann und Ilia Ryvkin unter der Moderation von ­Doris Liebscher am Freitag, den 5. Juni, im »Clash«, Gneisenaustraße 2a. Um 20 Uhr geht es los.