Schminke hält jung

Man könnte die ganze Darbietung auch albern finden. Schließlich sind zwei der Männer, die hier geschminkt, in seltsamen Fummeln und auf hohen Plateausohlen auf der Bühne die große Rockstarnummer geben, längst im Rentenalter. Und die anderen beiden nähern sich schnurstracks dem 60. Geburtstag. Andererseits kann ihnen das Alter nichts anhaben. Dank der Schminke sieht man keine Falten. Und so stehen Kiss auch an diesem Abend in Berlin als der Zeit entrückte Comicfiguren auf der Bühne. Gene Simmons zeigt seine lange Zunge, spuckt Feuer und Blut und kuckt böse. Paul Stanley tänzelt mal hier, mal da entlang, animiert das Publikum und fährt mit einer Seilbahn über dessen Köpfe hinweg auf eine zweite kleine Bühne, auf der er dann einen Song spielt. Tommy Thayer lässt aus seiner Gitarre Funken sprühen, Eric Singers Schlagzeug wird auf einer Hebebühne hoch- und heruntergefahren und blinkt in allen Farben. Dazu gibt es ein Dauerfeuerwerk eines Ausmaßes, über das Anhänger der Kampagne »Brot statt Böller« wahrscheinlich ebenso bittere Tränen vergießen würden wie Verfechter der Müllvermeidung über die Unmengen an Konfetti, die am Ende des Konzerts auf das Publikum herabregnen. Die musikalischen Peinlichkeiten, die die Band in den über 40 Jahren ihres Bestehens auch hervorgebracht hat, bleiben den Zuhörern erspart. Kiss geben nur ihr Bestes. Und das ist Musik, die ähnliche Eigenschaften hat wie Junk Food: Sie muss nicht jeden Tag sein, ist in den richtigen Abständen genossen aber ein großer, kurzweiliger Spaß. Spätestens das 50jährige Veröffentlichungsjubiläum der ersten Kiss-Platte in zehn Jahren wäre also ein Anlass, sich die Band erneut live anzusehen. Ob die vier dann noch zu solchen Auftritten fähig sind, ist schwer zu sagen. Man könnte aber einfach jüngere Musiker schminken und in die Anzüge stecken. Niemand würde das merken. Und Kiss könnten dem Alter so endgültig ein Schnippchen schlagen.