Unsere Schurken

Wenn man Geschäfte mit Autokraten und Diktatoren macht, könnte man das Geld kassieren und möglichst wenig darüber sprechen. In Deutschland geht das allerdings nicht, denn das wäre Profitgier, also amerikanisch und eines Kulturvolkes unwürdig. Deshalb haben die Deutschen die Verantwortungsethik erfunden und sie, da Max Webers Definition zu unhandlich ist, so zurechtgestutzt, dass jedes dubiose Geschäft nicht nur gerechtfertigt, sondern moralisch geboten ist. Wenn also der ägyptische Militärherrscher Abd al-Fattah al-Sisi bei Siemens für acht Milliarden Euro einkauft und als Staatsgast hofiert wird, sagt man nicht: »Bei den Chinesen hätte er das Zeug billiger gekriegt, also mussten wir ihm kleine Gefälligkeiten erweisen.« Vielmehr muss es heißen, »dass selbst Schurken für Sicherheit und Stabilität sorgen können, und diese Stabilität auch uns zugutekommt«, wie Jacques Schuster in der Welt lehrt. Das ist die Logik der Freunde der Mafia, deren Dons man allerdings zugutehalten muss, dass sie deutlich weniger Menschen umbringen lassen als nahöstliche Diktatoren. Kurzfristig gestört durch die Demokratiebewegung, kann man die Araber nun wieder wie gewohnt als Sicherheitsrisiko betrachten. Gleichzeitig verschafft man sich einen Distinktionsgewinn: dort der Schurke, hier der Deutsche, der die acht Milliarden nur naserümpfend nimmt, weil höhere Ziele dies gebieten. Und für den Fall, dass es mit der Stabilität doch nichts werden sollte, hat Siemens eine Hermes-Bürgschaft beantragt.
Der Sicherheit bedarf es auch in der Energieversorgung, so dass die Münchner Sicherheitskonferenz den »Energy Security Summit« mitorganisiert, auf dem Anfang Mai auch der iranische Ölminister Bijan Namdar Zanganeh sprach. Deutschland hat sich den Sanktionen gegen den Iran nur widerwillig angeschlossen und kann deren Aufhebung kaum noch abwarten. Doch der Ayatollah lebt nicht vom Öl allein, für die Förderung des High-Tech-Geschäfts mit dem Iran hat die Lobbyorganisation Ibridges Berlin als Tagungsort gewählt. Dort sprach Reza Pakravan, angekündigt als »Abenteurer«, weil er viel mit dem Fahrrad unterwegs war, über die Gemeinsamkeiten zwischen einer anstrengenden Expedition und den Herausforderungen für Unternehmer. Als gäbe es dort nicht schon mehr als genug Prediger, droht den geplagten Iranern nun auch noch eine Invasion von Wirtschaftsesoterikern, Motivationstrainern und Selbstoptimierungsgurus. Die Ayatollahs wird es freuen, wenn sie ihren Untertanen bald elektronische Überwachungsarmbänder aufnötigen können, die Auskunft darüber geben, ob die Gebetszeit eingehalten oder Alkohol getrunken wird. Damit Schurken für Stabilität sorgen können, brauchen sie moderne Technik. Vorausschauend hat Siemens seine Präsenz in Teheran ungeachtet der zeitweilig erzwungenen Unterbrechung der Geschäfte aufrechterhalten.