Bullshit-Ballade

Dank sozialer Netzwerke wie Twitter und Facebook können wohl beinahe alle ihre Meinung zu allem und jedem öffentlich kundtun. Dazu gehören traurigerweise auch homophobe Hetze und menschenverachtende Beleidigungen im Internet. Doch damit kann man auch kreativ umgehen. Anlässlich des diesjährigen Christopher Street Days in Berlin veröffentlichte Magnus Stefan Walter von Keil, bekannt unter dem Künstlernamen »Herr von Keil«, für den Berliner Sender Radioeins einen ungewöhnlichen Beitrag gegen Homophobie. Man könne den Hass einfach »kaputtschunkeln«, so seine Idee. Heraus kam die »Homophobe #MeanTweets Hymne«. Die Melodie des Liedes wirkt fast schon zuckersüß, aber der Text hat es in sich. Er besteht aus echten Tweets und Artikel-Fragmenten mit homophoben Inhalten. Bei Textpassagen wie »Schwulsein ist unnatürlich« und »Es wird immer schlimmer mit den Homos« sträuben sich die Nackenhaare – und doch sind es Äußerungen, die täglich durch das Internet schwirren, wie der Radiokomiker gekonnt aufzeigt.
Seiner Facebook-Seite zufolge wurde von Keil bereits in seiner Kindheit in Klavier- und Gitarrespielen unterrichtet, machte seine ersten Erfahrungen in lokalen Theatergruppen und gab Konzerte mit Schülerbands. Derzeit tritt er in einer Sendung von Radioeins auf, ist Radiosprecher, Produzent und Musiker in einem. Der 34jährige machte sich als »Herr von Keil« einen Namen. 2014 gewann er den Fernsehpreis des Hessischen Rundfunks in der Kategorie »Einfach anders«. Einfach anders begegnet er auch dem Thema Homophobie, die positive Resonanz auf seine Hymne ist groß. Im Internet soll das zugehörige Musikvideo jetzt viele Menschen erreichen. Die bloße Aneinanderreihung der Beleidigungen in seiner Komposition, ohne direkte Kritik, provoziert die Zuhörerinnen und Zuhörer. Doch soll das Ganze nicht affirmativ verstanden werden, daher endet das Lied mit der Eingebung: »Vielleicht bin ich aber einfach nur ein Idiot.« Im Musikvideo werden die fiesen Aussagen mit schrillen Bildern kombiniert. Mit ausgefallenen Kostümen, einem Gitarrensolo im Fahrstuhl im hautengen, rosa Ganzkörperanzug und zwei Backgroundsängern in Miniröcken, begegnet er mit gängigen Klischees, aber feiner Ironie der allgegenwärtigen Homophobie. Wenn es denn klappt, gäbe es sicher noch so einiges, das auch kaputtgeschunkelt werden sollte.