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»Fucking hell!« schallt es aus dem Auslandsressort. Es ist zwar urlaubsbedingt unterbesetzt, aber ordentlich beschäftigt – Türkei, Attentate, Islamischer Staat, Kurden. Wie soll man das auch besser umschreiben, was da die Tage abgeht? Man kommt kaum noch nach, so drunter und drüber geht’s da wieder. Kein ruhiger Posten, der Nahe Osten. Auch das Thema ist momentan Single, aber es erträgt die Doppelbelastung duldsam schweigend. Aufgedreht hingegen das Inland: Das ist zwar voll besetzt und gut gelaunt, hat aber mit den Folgen der Sommerferien von Leuten außerhalb der Redaktion zu kämpfen – während die Parlamentsabgeordneten in den Urlaub gehen und Sigmar Gabriel im Iran für deutsche Investitionen wirbt, drehen die Brandstifter und besorgten Bürger deutschlandweit am Rad. Das Deutsche Haus platzt aus allen Nähten und beantragt zusätzliche Zeilen beim Layout, der Mailaccount quillt über vor angebotenen Artikel über hegemoniale Dorfnazis, prügelnde Verbindungsstudenten und ungeklärte Brandstiftungen. Sogar ein Sprengstoffanschlag auf das Auto eines Politikers der Linkspartei in Dresden ist dabei. Wo soll das denn alles hin? Das Ressort kommt sich schon vor wie die Legionäre auf dem Limes gegen Ende des römischen Imperiums. Während sie wachsam die andere Seite des antiteutonischen Schutzwalls beobachten, rotten sich in den germanischen Urwäldern die Barbarenhorden zusammen, um alsbald mordend und sengend in zivilisierte Gegenden vorzudringen. Hatte man immer versucht, sie auf die Antifaseite zu verbannen, so drohen nun auch die Seiten sechs, sieben, acht und neun überrannt zu werden. Wenn es nach dem Inland geht, werden diese modernen Vandalen, Ost- und Westgoten hübsch drüben bleiben, wo sie hingehören. Große Worte. Man wird sehen.
Wenn Jungle-Redakteurinnen und -Redakteure sich nicht mit der großen Weltpolitik oder dem drohenden Untergang der Zivilisation beschäftigen, tauschen sie auch mal Tratsch aus dem Nachbarkiez aus. In einer Szenekneipe wurde einem alten Freund der Jungle World »persönliches« Hausverbot erteilt – aber kein »politisches«. Dazu wurde ihm noch »alles Gute« gewünscht, wie er der Redaktion in einer E-Mail mitteilt. Glückwünsche, weil es kein »politisches« war? Letzteres klingt tatsächlich eine Spur ungemütlicher als ein »persönliches« Hausverbot. Aber was soll überhaupt die Unterscheidung? Darüber wird in der Redaktion lebhaft diskutiert. Ist das Persönliche nicht so was wie das Private und deshalb auch politisch? Allgemeines Grübeln. Ein Kollege erzählt, wie er schon mal »persönliches Hausverbot« hatte – bei Kaiser’s, sogar bundesweit, wegen Ladendiebstahls. Es gab aber keine Glückwünsche dazu. Fucking hell.