Ungarische Neonazis planen einen Roadtrip auf den Spuren Hitlers

Hauptsache Hitler

Die ungarische Sektion der Neonaziorganisation Blood & Honour will durch Österreich und Deutschland reisen – und dabei auf den Spuren Hitlers und der NSDAP wandeln.

Vor 15 Jahren wurde Blood & Honour in Deutschland verboten. Das weltweit aktive Netzwerk organisiert primär konspirative Neonazikonzerte, verfügt mit Combat18 aber auch über einen bewaffneten Arm. Zumindest offiziell gibt es die deutsche Sektion nicht mehr. In Ungarn hingegen blüht die Szene, die dortige Blood & Honour-Gruppe frönt ihrer Ideologie ganz offen. Nun will sie Österreich und Deutschland mit einem einschlägigen Reiseprogramm besuchen.
Schon im Februar hat Blood & Honour Ungarn die Einladung zu einer dreitägigen Busreise auf der Homepage der Gruppe veröffentlicht. Unter dem Motto »Auf den Spuren des Dritten Reiches« plant man, hauptsächlich historische Orte der nationalsozialistischen Parteigeschichte zu besuchen. Als erster Stopp steht am 13. August die Akademie der Schönen Künste in Wien auf dem Programm. Bekanntester (und seinerzeit abgelehnter) Aspirant: Adolf Hitler. Danach wollen die Neonazis in einem Militärmuseum im österreichischen Rosenau am Sonntagberg vorbeischauen. Der Abend soll mit einem Spaziergang in Braunau, Hitlers Geburtsort, ausklingen. Auf dem Weg nach Norden machen die ungarischen Kameraden und Kameradinnen am 14. August Halt in Landshut – dort ist Adolf Hitler in einem Fensterbild der katholischen Kirche St. Martin dargestellt. Anschließend ist ein Besuch des Reichsparteitagsgeländes und des zugehörigen Dokumentationszentrums in Nürnberg geplant. Am nächsten Tag steht das Museum »Memorium Nürnberger Prozesse« mit dem, laut Blood & Honour, »berühmt-berüchtigten« Saal 600 auf dem Programm.
Für die Museumsleitung sei das eine ungewohnte Situation. »Bisher haben wir da noch keine Erfahrungen machen müssen, insofern ist das für uns auch Neuland. Wenn natürlich eine Gruppe auftritt, die andere Gäste stört oder gar mit verbotenen Abzeichen oder Gesten arbeitet, werden wir natürlich von unserem Hausrecht Gebrauch machen«, erklärt Ingrid Bierer, Direktorin der Nürnberger Museen, der Jungle World. Solange die Reiseteilnehmer jedoch nicht uniformiert auftreten, könne man kein Verbot aussprechen, sagte Robert Pollack vom Ordnungsamt Nürnberg den Nürnberger Nachrichten. Das Antifaschistische Aktionsbündnis Nürnberg meint hingegen: »Wenn Rechtsterroristen an Orten des Gedenkens ihre historische Vorbilder feiern wollen, ist weit mehr gefragt als tatenloses Zusehen und Abwarten.«
Nach dem Aufenthalt in Nürnberg geht es für Blood & Honour nach München, dort will man »historische Orte« wie den Odeonsplatz (Ort des »Hitlerputsches«), Königsplatz (Ort des »Ehrentempels« für getötete Putschisten) und das »ehemalige Parteiviertel« abklappern. Bevor es zurück nach Budapest geht, steht noch Hitlers »Berghof« am Obersalzberg auf dem Programm.

Dass die Kameraden und Kameradinnen aus Südosteuropa gerade auch durch Bayern touren, ist für Robert Andreasch von der antifaschistischen Informations-, Dokumentations- und Archivstelle München (a.i.d.a.) kein Wunder. »Blood &  Honour gab es früher in Bayern mit einer eigenen fränkischen und bayerischen Sektion. Nach dem Verbot ist das offizielle Label verschwunden, aber die Beziehungen und Strukturen haben natürlich nicht aufgehört zu existieren«, so Andreasch. Seit Ende der neunziger Jahre lassen sich enge Kontakte zwischen Bayern und Ungarn beobachten. Ideologisches Bindeglied ist der jährliche »Tag der Ehre« in Budapest, an dem ungarische und deutsche Neonazis der gemeinsamen Verteidigung der Burg von Buda gegen die Rote Armee durch Wehrmacht, Waffen-SS und unga­rische Pfeilkreuzler im Winter 1944/45 gedenken. Als Pfeilkreuzler oder Hungaristen bezeichnet man die Anhänger der von Ferenc Szálasi gegründeten und unter verschiedenen Bezeichnungen firmierenden nationalsozialistischen Partei in Ungarn.
Schon vor vier Jahren führte eine ungarische Blood & Honour-Gruppe eine ähnliche Reise wie die jetzt geplante durch. »Auf dem fünftägigen Besuchsprogramm standen die Ausstellung ›Nationalsozialismus in München‹ im Stadtmuseum, die Feldherrnhalle und Bauten des NS-Staats: SS-Bunker, eine Kaserne der Waffen-SS, die Reichs­finanzschule Herrsching und das ehemalige ›Führerhauptquartier‹ am Obersalzberg«, heißt es auf der Homepage von a.i.d.a. Dass der Natonalsozialismus an diesen Orten mitunter kritisch behandelt wird, ist den ungarischen Neonazis Robert Andreasch zufolge einerlei: »Ob Pro oder Contra: Hauptsache Hitler.«

Das von der rechten Fidesz-Partei autoritär regierte Ungarn hat sich in der Vergangenheit vor allem durch erstarkenden Antiziganismus, Antisemitismus und Rassismus ausgezeichnet. »Die Neonazis erlauben sich dort ein noch krasseres Auftreten als hier und das ist offensichtich auch das, was die bayerischen Neonazis faszinierend finden – oder auch verbindet«, meint Robert Andreasch. Für eine bis heute enge Beziehung spricht auch, dass Blood & Honour Ungarn auf seiner Homepage ein Banner der Partei »Der III. Weg« an prominenter Stelle platziert hat. »Der III. Weg« ist die Nachfolgeorganisation des verbotenen »Freien Netz Süd«, das auch schon durch Kooperationen mit ungarischen Blood & Honour-Gruppen auffiel. In den bayerischen Neonaziorganisationen, die Blood & Honour nahestehen oder nahegestanden haben sollen, hat stets Matthias Fischer mitgemischt, der a.i.d.a. zufolge mehr als ein dutzend Mal am »Tag der Ehre« in Budapest teilgenommen hat. Fischer war auch ehemals Drummer bei der Neonazi-Band »Hate Society«.
Veranstalter der Bustour durch Österreich und Deutschland ist laut Blood & Honour das ungarische Reiseunternehmen GoforGo Travel. Auf der Homepage der Firma ist die knapp 200 Euro teure Reise jedoch nicht zu finden. Neben unverdächtigen Reiseangeboten ist auf der Seite auch ein Bild von Dezső Szentgyörgyi zu sehen. Der vor 100 Jahren geborene Pilot kämpfte für die unga­rischen Luftstreitkräfte auf Seiten des deutschen Reiches gegen die Sowjets und US-Amerikaner. Ob die Hitlertour tatsächlich stattfindet, ist bislang unklar. Seit dem Online-Eintrag im Februar gab es zumindest im Internet keine weiteren Informationen zu der geplanten Reise. Die SPD-Landtagsfraktion fordert ein »Einreiseverbot für das neonazistische Netzwerk Blood & Honour«. Das Antifaschistische Aktionsbündnis Nürnberg hat vorsorglich Proteste angekündigt. Auch in München will man laut einem anonymen Indymedia-Beitrag protestieren. Für den 15. August hat die Partei »Der III. Weg« auf ihrer Homepage eine Kundgebung unter dem Motto »Wehr Dich! Asylflut und Ausländergewalt stoppen!« angekündigt. Die guten Bekannten von Blood & Honour befänden sich laut Reiseplan genau zu diesem Zeitpunkt in der Stadt.