Wo Andi seine Hosen kauft

Berlin Beatet Bestes. Spezial-Folge 304.

Wo kauft Andi seine Chinos?«, fragt Matthias. »In Amerika«, sagt Andi. War das nicht immer das Größte, wenn man als Kind sagen konnte, das habe ich aus den USA?
Und es stimmt. Alle Hosen, die Andi trägt, sind aus Amerika. Sogar alle aus dem gleichen Laden in Brattleboro, Vermont. Und wie der Zufall es will, oder das Schicksal, landen wir doch gleich zwei Tage nach unserer Ankunft in genau diesem Geschäft. Jetzt könnte man denken, das wird so ein Retro-Styler-Rock ’n’ Roll-Laden sein. Aber nix da. Andi kauft bei Sams. Sams ist ein Outdoor-Camping-Draußenklamottenladen, der sich über drei Stockwerke und einen ganzen Block erstreckt. Da unsere Gastgeber früh arbeiten müssen, sitzen wir um kurz nach acht bei Mocca Joes rum. Und warten, dass die beiden Plattenläden um die Ecke öffnen, wir Hosen bei Sams kaufen können, dass irgendwas passiert.
Brattleboro ist eine schöne kleine Stadt, die sich in Hügeln über einen Berg zu einem Fluss zieht. Andi sagt: »Zwei Second-Hand-Plattenläden, zwei Buchläden, ein altes Kino und eine Radiostation. Alles, was man braucht.« Als Sams endlich öffnet, habe ich Andi schon nach drei Minuten verloren. Ich überlege ernsthaft, eine weiße Leinenhose zu kaufen, nur des Labels wegen. Die Hose ist von der Firma ISIS. Wer hätte gedacht, dass die Hosen herstellen und ausgerechnet in Amerika vertreiben! Da wir die einzigen Kunden sind, fühlen sich alle Verkäuferinnen verpflichtet, mir zu helfen. »Can I help you?« »Well, I lost my boyfriend.« Und wo finden wir ihn? Bei den Hosen. Zielsicher hat er bereits drei ausgewählt. Ich zwinge ihn, sie mir vor dem Kauf vorzuführen. Widerwillig zieht er sie an. Sie sind alle zu kurz. Ich weiß, dass Andi diesen Hochwasserhosen-Look mag. Schwarze, zu kurze Dickies mit weißen Socken. Aber nicht mit mir. Ich tausche alle Hosen gegen längere aus. Nach einer Stunde stehen wir an der Kasse mit sechs Hosen, sechs T-Shirts und einem Haufen Unterhosen.
Am Nachmittag packen wir unsere Sachen, denn wir sind zu einer Party in Athens, New York, eingeladen. Wir fahren zwei Stunden nach Süden. Durch New Lebanon, Austerlitz, Ravena und Hannover. Athens sieht eigentlich nicht aus wie Athen. Doch auch in Athens, New York, stirbt der Einzelhandel. Das letzte Fachgeschäft – eine kleine Wäscherei – musste vor ein paar Wochen schließen. Der Trödelladen des Seniorenheims hat zum Glück am Wochenende geschlossen und zu den vielen Yard Sales, an denen wir auf dem Weg zu Nicks Party vorbeikommen, lassen wir Andi nicht. Er jammert ein bisschen und darf sich dafür an der Tankstelle Marshmallows kaufen.
Mein Freund Nick ist mit einer Holywood-Schauspielerin verheiratet und wir tun alle so, als wäre es das Normalste der Welt. Wir sind bereit, ihr völlig unbeeindruckt zu begegnen. Bestimmt ist sie nett. Und bestimmt kann sie es gar nicht erwarten, uns kennenzulernen. Die Party ist in der Scheune. Aber die Scheune ist so groß wie ein Schloss. Sie hat eine offene Küche und mehrere Zimmer. Man könnte gut in dieser Scheune leben. Das Haus, in dem Nick mit seinem Hollywood-Star wohnt, sieht aus wie aus einem Hollywood-Film. Mit einem riesigen Baum, inklusive Baumhaus und einer großen Hängematte. Hollywood-Star müsste man sein, denke ich, dann könnte man in so einem schönen Haus wohnen. Wir essen und trinken und tanzen und die ganze Zeit warten wir auf Nicks Frau. Sie versteckt sich in ihrem großen Haus. Den ganzen Abend lang. Schade. Die Party war gut. Aber wie gerne hätte ich mir Geschichten von Johnny Depp und Scarlett Johansson angehört. Ich war doch bereit, besonders unbeeindruckt zu reagieren.
Mein Name ist Andreas Michalke. Ich zeichne den Comic »Bigbeatland« und sammle Platten aus allen Perioden der Pop- und Rockmusik. Auf meinem Blog Berlin Beatet Bestes (http://mischalke04.wordpress.com) stelle ich Platten vor, die ich billig auf Flohmärkten gekauft habe.