Wollwert

Die Berger Straße, die endlos lange Geldverjubelungsmeile in Frankfurt-Bornheim, ist eine der sklerotischen Lebensadern dieser merkwürdigen Stadt. Im urbanen Organismus nimmt sie ein solides Mittelmaß ein. Weder ist sie so gedankenlos konsumistisch und massenkompatibel wie ihre große dicke Schwester, die Zeil, noch hat sie den Glanz und Exklusivität ihrer mageren hochnäsigen Tante, der Goethestraße. De- und Regentrifizierung halten sich die Waage – mal flakt sich ein veganes Restaurant zwischen zwei Spiel­casinos, dann wird eine Buchhandlung durch ein mondänes Shisha-Café ersetzt. Mit Sicherheit aber ist man auf der Berger falsch, wenn man etwas Bestimmtes braucht – denn die Fluktuation ist so hoch und die Gaß’ so lang, dass das Zielgeschäft wahrscheinlich schon wieder zu hat, ehe man es erreicht. Kurz: Dafür, dass sie eigentlich nur zum Bummeln gut ist, nimmt sie verdammt viel Platz weg! Deswegen war es für viele, die in Bornheim zu leben gezwungen sind, geradezu ein Auferstehungswunder, als am 20. August plötzlich ein Woolworth auf der Berger Straße aufmachte. Vor langer Zeit, vor der Finanzkrise, so geht die Sage, habe es hier schon mal einen Woolworth gegeben, dann aber geriet der Mutterkonzern in die Krise, reihenweise machten die Filialen dicht. Plötzlich kann man in Bornheim wieder etwas Nützliches kaufen! Keine selbstgehäkelten Sektkorkenschoner, keine verdächtig billigen Thaispeisen – sondern Töpfe, Besen, Fernsehantennen. Schnürsenkel gar, Nägel, Bindfaden! Der Boutique- und Craft-Wahn hat ein Ende! Man kann wieder Dinge kaufen, die purer Zweck sind! In der wahrscheinlich letzten Woolworth-Filiale des Planeten! Finale Angstblüte des Spätkapitalismus oder Zeichen der beginnenden Revolution? Das verraten wir in der nächsten Folge!