Die Route der Flüchtlinge führt über Budapest 

Endstation Budapest

Am Ostbahnhof von Budapest bleiben viele Flüchtlinge hängen, die über die Balkan-Route nach Westeuropa gelangen wollen.

Vom Bahnhof Budapest-Keleti fahren Züge nach Deutschland. Die Routen führen entweder über Österreich nach München oder über Bratislava und Prag nach Berlin und Hamburg. Die Euro­citys und Railjets fahren zweistündig und werden viel von Backpackern und Leuten genutzt, die die Bahn dem Flugzeug vorziehen. Seit dem letzten Augustwochenende ist der Bahnverkehr auf der Strecke gestört. Budapest-Keleti wurde mittlerweile vom internationalen Bahnverkehr abgekoppelt.
Warteten noch am letzten Freitag im August einige Hundert Flüchtlinge rund um den Bahnhof, waren es am Montag darauf bereits Tausende. Aus vollen Taxis kommen immer mehr Menschen hinzu. Es sind vor allem Flüchtlinge aus arabischen Staaten, aber auch Afghanen und einige Afrikaner. Das Gros kommt aus Syrien, viele Familien mit Kleinkindern sind unter ihnen. Einige Gruppen von Jugendlichen sind ohne Eltern unterwegs. Die Flüchtlinge liegen auf Steinplatten rund um den Bahnhof oder halten sich in einer Unterführung auf, um sich vor der Sonne zu schützen. Es ist über 30 Grad heiß. Die Unterführung hat den Namen »Transitzone« bekommen. Anders als der Name suggeriert, ist es aber kein exterritorialer Raum, sondern nur eine Betonunterführung unter dem Bahnhofsvorplatz und den beiden großen Straßen am Bahnhof. Dieser war vorher für Flüchtlinge gesperrt.

Da der Staat, abgesehen von der Polizei, nicht präsent ist und auch nicht mit Hygienemaßnahmen hilft, stinkt es nach menschlichen Ausdünstungen. Viele Flüchtlinge sind stark dehy­driert. Mitglieder der NGO »Migration Aid« versuchen die schlimmste Not durch Wasserlieferungen und eine kleine Krankenstation zu lindern. Willkommensinitiativen, wie es sie in vielen deutschen Großstädten gibt, sind nicht sichtbar. In den Schlangen rund um den Bahnhof werden Touristen von Ungarn darauf hingewiesen, dass sie sich als foreigners, anders als die refugees, einfach vorne anstellen sollten.
Die Mehrheit der Flüchtlinge ist trotz der bedrückenden Situation diszipliniert. Es wird kaum gedrängelt an der Schlange zum Bahnsteig. Wenn es zu Rangeleien unter Flüchtlingen kommt, gehen sofort viele andere dazwischen und trennen die Streithähne. Anordnungen der Polizei wird in der Regel nachgekommen. Es gilt, bloß nicht mit ihr aneinanderzugeraten. Die ungarische Polizei tritt unter den Augen und Kameras der Weltpresse nicht gewalttätig auf. Viele Flüchtlinge verfügen über Smartphones, mit denen sie sich permanent über Chats und Telefonate informieren und koordinieren.
Am Freitag vergangener Woche griffen dann ungarische Hooligans vor dem Länderspiel gegen Rumänien die Flüchtlinge auf dem Bahnhofsvorplatz an. Diese wehrten sich erfolgreich, bis die Polizei die Gruppen trennte.

Ein wenig humaner geht es eine Station vorher auf der sogenannten Balkan-Route zu, in Belgrad. Dort ist die Zahl der Flüchtlinge auf der Durchreise seit dem Frühjahr immer weiter gestiegen. Seit etwa Juni existiert eine Zeltstadt im Park zwischen Bahnhof und Busbahnhof. Dort hat die Stadtverwaltung zumindest Dixi-Toiletten auf­gestellt, schickt die Müllabfuhr vorbei und versorgt die Flüchtlinge mit Wasser.
Die Stadtverwaltung helfe an bestimmten Punkten, sagt Boris Kanzleiter von der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Belgrad der Jungle World. Zum Beispiel habe der Bezirk Savski Venac, wo der Bahnhof liegt, Räumlichkeiten für einen Anlaufpunkt für Flüchtlinge zur Verfügung gestellt. Kanzleiter berichtet: »Viele Menschen sehen die Flüchtlinge mit Empathie. Leute bringen Kleidung, Nahrungsmittel, Hygieneartikel an die Sammelpunkte. Manche NGOs, Vereine, Gewerkschaften und Firmen spenden.« Aeiner Wahrnehmung nach steht die Mehrheit der Belgrader den Flüchtlingen nicht feindlich gegenüber. Viele sagten, dass sie die Flucht aus eigener Erfahrung kennen. Belgrad habe in den neunziger Jahren etwa 500 000 Kriegsflüchtlinge aus Kroatien, Bosnien und Kosovo aufgenommen. Es gebe aber auch Anfeindungen.