Vernetzung im Kulturbereich

Empowert euch!

Bei einer Konferenz an der Berliner Universität der Künste sollen Strategien gegen Ausgrenzung und Diskriminierung entwickelt werden – nicht nur im Kulturbereich.

Am 10. und 11. Oktober 2015 findet in der Berliner Universität der Künste (UdK) die Konferenz »Vernetzt euch! – Strategien und Visionen für eine diskriminierungskritische Kunst- und Kulturszene« statt. Die selbstorganisierte Konferenz richtet sich vornehmlich an Kulturschaffende und Kulturarbeitende, die sich aus eigener Betroffenheit heraus mit der Analyse, der Kritik und dem Abbau von Diskriminierung innerhalb und außerhalb der Kunstwelt beschäftigen. Die Idee zu einer solchen Konferenz entstand bei der Intervention in die Fachtagung »Mind the Gap« am Deutschen Theater im Januar 2014. Auf dieser Tagung sollten »Zugangsbarrieren zu kulturellen Angeboten und Konzeptionen niedrigschwelliger Kulturvermittlung« diskutiert werden. Die Gruppe, die zu Beginn der Konferenz die Bühne besetzte, fühlte sich durch deren Konzeption nicht zu einer Teilnahme eingeladen: Mit Sätzen wie »Sie haben mich nicht nur nicht eingeladen, sie werden auch über mich reden« oder »Sie haben mich nicht nur nicht eingeladen, sie haben mich auch wieder ausgeladen« griffen sie das Ringelnatz-Zitat des Tagungsflyers »Sie haben mich nicht nur nicht eingeladen, ich wäre auch nicht gekommen« auf.

Auf der Fachtagung »Mind the Gap«, so deren ­Kritikerinnen und Kritiker, würden die Hemmnisse bei denen gesucht, die die Institutionen der Hochkultur nicht besuchen, statt bei den Institutionen wie Theater, Film und Oper selbst. Außerdem würden in der Konzeption der Tagung Ausschlüsse wiederholt statt abgebaut: »Wir haben uns gefragt, warum eine Tagung, in der es um Zugangsbarrieren geht, 40 Euro kostet, keine Gebärdendolmetscher_innen bereitstellt, nicht in andere Sprachen übersetzt und keine Kinderbetreuung anbietet. Wir haben uns gefragt, warum Jugendliche, um die es hier auch geht, nicht teilnehmen können, da diese Tagung zu einer Uhrzeit stattfindet, in der Jugendliche meistens in der Schule sind.« Es werde wieder einmal nur über die Betroffenen der unterschiedlichsten Diskriminierungsformen gesprochen statt mit ihnen: »Wir haben uns gefragt, warum hier keine Menschen of Color referieren, keine Menschen, die aus der Praxis kommen, keine Menschen, die in der Praxis mit wenig Einkommen leben müssen, keine Expert_innen mit Behinderung etc. Schlichtweg sind hier keine Betroffenen als Expert_innen eingeladen.« Dennoch sei man bereit, dieser »Parallelgesellschaft« der Hochkultur »Entwicklungshilfe« zu leisten. Das »Bündnis kritischer Kulturpraktiker_innen« kündigte eine alternative Konferenz an, an der »Expert_innen, die hier leider fehlen und zuhauf vorhanden sind«, teilnehmen würden.
Diese Konferenz wird nun unter dem Titel »Vernetzt euch!« Wirklichkeit. Das Konzept der Veranstaltung zielt allerdings nicht auf Nachhilfe für etablierte Kulturschaffende, sondern auf Vernetzung und Empowerment für bisher ausgeschlossene und marginalisierte Künstler und Kulturarbeiter. Das Wochenende soll von unterschiedlichen Diskriminierungsformen wie Sexismus, Rassismus oder Behindertenfeindlichkeit beziehungsweise ableism Betroffenen die Möglichkeit geben, sich über Probleme, vor allem aber über Lösungsmöglichkeiten auszutauschen. Gerade in Zeiten, in denen sich die Verhältnisse derart rasant veränderten, so Bahareh Sharifi von der Vorbereitungsgruppe, sei es dringlich, Veränderungen anzustoßen und Formen zu finden, in denen die nichthomogene Gesellschaft sich wiederfinde.

Die konkreten Probleme, denen Menschen mit unterschiedlichen Diskriminierungshintergründen im Kulturbereich begegnen, sind sehr vielfältig. Der Zugang zu Fördermöglichkeiten ist für Kulturarbeiter, die nicht dem Mainstream entsprechen oder entsprechen wollen, enorm erschwert. Zwar gibt es zwischendurch immer wieder Nischen, wie der gegenwärtige Hype um behinderte, nichtdünne oder aus anderen Gründen ungewöhnliche Models zeigt. Solche Gelegenheiten zu nutzen, setzt aber oft die Bereitschaft voraus, sich exotisieren und instrumentalisieren zu lassen. Die Frage, wer gesellschaftlich überhaupt eine Stimme hat und wie die Personengruppe repräsentiert wird, wiederholt sich in der kulturellen Repräsentation. Die Kritik, dass Blackfacing – also der Darstellung schwarzer Menschen durch weiße Schauspieler, die sich schwarz angemalt haben – nicht lustig, sondern rassistisch ist, löst immer noch Empörung und Zensurvorwürfe aus. Eine Problematisierung von cripping up – also der Darstellung von Behinderten durch nichtbehinderte Schauspieler auf der Bühne oder im Film – findet fast ausschließlich durch Behinderte selbst statt. Diese müssen sich mit beinahe automatisierten Abwehrreaktionen auseinandersetzen. Auf der Konferenz sollen nun, so Sharifi, rassismuskritische und behindertenpolitische Perspektiven zusammengebracht werden. Gerade privilegierte Leute, die ihre eigene soziale Position bisher kaum kritisch reflektiert haben, fühlten sich sehr schnell angegriffen, erklärte Sharifi.
Es geht sowohl um die Frage, warum Veranstaltungen und Kunstevents so konzipiert werden, dass Leute, die von Diskriminierung betroffen sind, ausgeschlossen werden, als auch darum, wie das geändert werden kann. Noah Sow wird in ihrem Workshop »planerische Automatismen« identifizieren und verdeutlichen. An dem Titel des Workshops »Decolonize your Veranstaltung(-splanung)« wird außerdem deutlich, dass sich die Konferenz nicht ausschließlich mit künstlerischen und kulturellen Phänomenen beschäftigen wird. In den Workshops sollen verschiedene konkrete Handlungsstrategien diskutiert und entwickelt werden. Auf einer Kunstkonferenz dürfen auch Performancedarbietungen nicht fehlen. Die UdK als Veranstaltungsort lädt dazu ein, auch die Lehrpläne und Ausbildungen kritisch unter die Lupe zu nehmen.
Auf Barrierefreiheit wird bei der Konferenz viel Wert gelegt. Schon auf der Homepage ist ersichtlich, wie die einzelnen Räume zu erreichen sind. Ein großer Teil der Veranstaltungen wird in deutsche Gebärdensprache übersetzt. In einem Video wird in Gebärdensprache zur Konferenz eingeladen. Zudem wird es Kinderbetreuung und Übersetzungen in andere Sprachen geben.
Die Anmeldefrist für die Konferenz läuft nur bis heute, eine Anmeldung zu einem späteren Zeitpunkt ist auf Anfrage möglich. Die Teilnahme ist kostenlos.