Argentiniens neuer Präsident verspricht Freiheit für die Wirtschaft

Pragmatisch neoliberal

Argentiniens neuer Präsident Mauricio Macri steht für eine wirtschaftsliberale Politik. Viele Linke befürchten eine Rücknahme sozialer Errungenschaften der Vorgängerregierungen.

Der Name des konservativen Wahlbündnisses Cambiemos (Lasst es uns ändern) ist derzeit Programm in Argentinien. Nach dem Erfolg Mauricio Macris in der Stichwahl um die Präsidentschaft am 22. November erlebt der Staatsapparat dieser Tage viel Bewegung: Allein auf nationaler Ebene werden 2 500 Posten neu besetzt. Außerdem muss Cambiemos nach dem überraschenden Erfolg in der Provinz Buenos Aires und dem Wahlsieg in der Hauptstadt dort zusätzliche po­litische Funktionsträger stellen. Das ist eine Herausforderung für die im Wahlbündnis federführende Partei Macris, Propuesta Republicana (PRO), die erst knapp zehn Jahre alt ist. 51,34 Prozent der Wählerinnen und Wähler hatten am 22. November für den Oppositionskandidaten Macri gestimmt, der am Donnerstag dieser Woche sein Amt antritt. Sein Kontrahent war Daniel Scioli von der peronistischen Regierungspartei Frente para la Victoria. Mit seiner Niederlage wurde die von den Eheleuten Kirchner geführte Mitte-links-Regierung nach zwölf Jahren abgewählt.
Zum ersten Mal seit Mitte des 20. Jahrhunderts hat es die politische Rechte geschafft, ohne Putsch an die Macht zu kommen. Die Kernforderungen der Unternehmerpartei PRO bestehen aus maximaler wirtschaftlicher Freiheit bei gleichzeitiger Reduzierung staatlicher Interventionen – all das aber, ohne allzu apologetisch dem Kapitalismus zu huldigen. Dass Macri die Interessen von Kapital, Großgrundbesitz und ­Industrie vertritt, daraus hat er nie einen Hehl gemacht. Er gewann gerade in jenen Provinzen, die von Agrarindustrie und Sojaanbau geprägt sind. Bereits am Wahlabend frohlockte die konservative Tageszeitung La Nación, die Zeit der Rache sei endlich vorbei. Damit machten die Herausgeber in ihrem Editorial deutlich, was sie von der neuen Regierung erwarten: das Ende der Aufarbeitung der Militärdiktatur und die Freilassung der inhaftierten Verbrecher.
Die juristische und gesellschaftliche Auseinandersetzung mit der Junta (1976–1983), die für massenhafte Folterungen, Staatsterrorismus und 30 000 Verschwundene verantwortlich ist, war das große Projekt der Regierungen Cristina Fernández de Kirchners und ihres verstorbenen Ehemanns Néstor Kirchner. Ein Thema, das Macri im Wahlkampf möglichst umging, wohl auch, weil sein Vater während der Diktatur sein Firmenimperium ausbaute. Insgesamt vermied der 56jährige ehemalige Bürgermeister von Buenos Aires kontroverse Themen und zeigte sich pragmatisch. So störte es ihn nicht, die eigene Klientel mit dem Versprechen zu verschrecken, wesentliche Errungenschaften der Vorgänger­regierung nicht anzutasten. Dazu zählen das 2009 eingeführte Kindergeld und die gleichgeschlechtliche Ehe. Zudem kündigte er an, weder die Renten noch die wieder verstaatlichte Fluggesellschaft Aerolíneas Argentinas zu privatisieren.

Statt sich in ideologischen Stellungsgefechten zu verlieren, gibt sich der Unternehmersohn lösungsorientiert. Gabriel Vommaro, Autor eines dieser Tage erscheinenden Buches über die PRO, stellt dazu in einem Kommentar heraus: »Die pragmatische Rechte gewinnt lieber, als recht zu haben.« Transversalidad heißt das dahinterstehende politische Konzept in Lateinamerika – eine stets wandelbare ideologische Ausrichtung und eine Politik, die auf den Machterhalt zielt. Weil es aus zahlreichen Experten bestehe, sei sein Kabinett das beste der vergangenen 50 Jahre, sagte der ehemalige Präsident des Fußballvereins Boca ­Juniors. Macri habe »ein Kabinett aus Managern zusammengestellt, als sei der Staat ein einfaches kapitalistisches Unternehmen«, kritisiert hingegen der linke Ökonom Claudio Katz. Politik sei für Macri eine Form der Unternehmensführung und Probleme würden technisch gelöst. Das Kabinett Macris setzt sich aus Parteikadern der PRO, Managern und Vertretern der verbündeten Parteien zusammen, wobei letztere weniger wichtige Posten erhalten. Seine Parteifreunde hat er in den wichtigen Positionen um sich geschart, während die Unternehmer und Banker für die neuerdings sechs Wirtschaftsministerien verantwortlich sind. Bei den Nominierungen gehe es weniger um die Einflusssicherung von Konzernen in der Regierung, sondern eher um eine Veränderung der politischen Kultur, glaubt Vommaro: »Sie etablieren einen Unternehmergeist, mit dem sie die Nation neu gründen wollen.«

Der frühere Zentralbankchef und künftige Finanzminister, Alfonso Prat-Gay, bekräftigte, man wolle als erstes die Devisenkontrolle abschaffen, die die bisherige Regierung zum Schutz der Dollarreserven des Landes eingeführt hatte. Die neue Regierung hofft, dass die Sojaproduzenten nach der damit einhergehenden Abwertung des Peso ihre zurückgehaltene Ernte im Wert von etwa neun Milliarden US-Dollar verkaufen, wodurch Geld in die Staatskassen käme. Zudem will die neue Staatsführung den Konflikt mit den Hedgefonds beilegen, um wieder Kredite auf den internationalen Finanzmärkten zu erhalten. Einige Hedgefonds klagen seit Jahren gegen Argentinien, von dem sie den Nennwert der nach der Finanzkrise 2001 günstig erworbenen Staatsanleihen einfordern. Kirchners Regierung hat sich stets geweigert, die Spekulationsgewinne in 17facher Höhe zu zahlen.
Auf kontinentaler Ebene werden rechte Allianzen geschmiedet und Argentinien wird sich an die konservativ ausgerichtete Pazifik-Allianz und die USA annähern. Linke haben stets davor gewarnt, dass es mit der neuen Regierung zur Rücknahme sozialer Errungenschaften des vergan­genen Jahrzehnts kommen wird. Das liegt zwar nahe, ist aber noch nicht vollends ausgemacht. Denn auch wenn der Präsident mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet ist, hat die PRO keine Mehrheit im Kongress. Und spätestens wenn klar wird, dass Macris Politik Profiteure und Benachteiligte hat, würde es zu Konflikten kommen. Doch diese wird der neue Präsident vorerst wohl nicht suchen. Es geht zunächst um Machterhalt und die Etablierung seiner Partei auf Bundesebene. Der neoliberale Umbau kommt später – ganz pragmatisch eben.