Das Klimaabkommen von Paris

Morgen ganz ­bestimmt

Das Pariser Abkommen zum Klimaschutz gilt als Durchbruch, doch Sofortmaßnahmen wurden nicht beschlossen.

Bei einer Klimakonferenz geht es zu wie bei einem Treffen von Alkoholikern, die sich ihres Problems bewusst sind. Alle geloben feierlich, dass sie ihr Leben ändern wollen. Gleich morgen, ganz bestimmt, werden sie weniger trinken, später dann gar nicht mehr. Aber heute Abend schon? Das muss ja nun auch nicht sein. Da kann man sich doch nochmal die Kante geben.
Über die Notwendigkeit des Klimaschutzes herrscht Einigkeit in der »internationalen Gemeinschaft«, offiziell zumindest, denn bei den vom Export fossiler Brennstoffe abhängigen Staaten sind Zweifel an der Ehrlichkeit des Bekenntnisses berechtigt. Immerhin ist der Druck so groß, dass diese Staaten den Konsens nicht offen in Frage stellen. Doch außer einem Imageschaden haben sie nicht viel zu befürchten, wenn sie ihre Zusagen nicht einhalten.
Teile des Pariser Abkommens gelten zwar als »völkerrechtich verbindlich«, doch bleibt gänzlich unklar, was geschieht, wenn einer der 195 Unterzeichnerstaaten seinen Verpflichtungen nicht nachkommt. Nach internationalem Recht wäre es denkbar, einen Sanktionsmechanismus zu schaffen, denn die Folgen des Klimawandels können als Bedrohung für Frieden und Sicherheit gelten. Doch darüber wird nicht einmal diskutiert, denn selbst jene Regierungen, die sich als Avantgarde des Klimaschutzes gerieren, ahnen, dass solche Sanktionen auch sie treffen könnten. So bleibt die deutsche Politik beim Ausstieg aus der Kohlenutzung zögerlich. Die vom Verbrauch fossiler Brennstoffe abhängigen Kapitalfraktionen wehren sich heftig, während Unternehmerverbände im Namen der Wettbewerbsfähigkeit fordern, Deutschland dürfe beim Klimaschutz keine Vorleistungen erbringen. Und das in einem Staat, dessen Klimapolitik auf der Einschätzung beruht, dass seine Unternehmen zu den Gewinnern des »grünen Kapitalismus« gehören würden.
Der Klimaschutz soll von konkurrierenden Nationalstaaten durchgesetzt werden, das Ausmaß der Bedrohung, die zu erwartenden Gewinne und Verluste sind aber nicht für alle Staaten gleich. Es geht um sehr viel Geld, so können die in Paris von den Industriestaaten zugesagten 100 Milliarden Dollar jährlich nur als Anzahlung betrachtet werden. Und es geht um sehr viel Macht, so können die Herrscher Saudi-Arabiens sich nach einem hübschen Exilort umsehen, wenn das Pariser Abkommen eingehalten werden sollte.
Zudem wird eine Prohibition ausgeschlossen, eingesetzt werden sollen – damit haben sich auch fast alle NGOs abgefunden – nur marktwirtschaftliche Instrumente. Der Emissionshandel kann als gescheitert betrachtet werden, erfolgreicher sind die am »grünen Kapitalismus« interessierten Kapitalfraktionen, deren wachsende Marktmacht jedoch kein rechtzeitiges Ende der Nutzung fossiler Brennstoffe verbürgt. Der entscheidende Faktor aber ist Zeit. Soll die globale Erwärmung, wie in Paris beschlossen, auf 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Epoche begrenzt werden, müssen die globalen Treib­hausgasemissionen spätestens ab 2021 sinken, ab 2060 dürften keine fossile Brennstoffe mehr genutzt werden. Doch auch das Pariser Abkommen ist nur ein Versprechen, sich morgen ganz bestimmt ernsthaft dem Klimaschutz zu widmen.