Die Wahlergebnisse in Spanien

Kein rotes Madrid

Die Wahlen in Spanien haben keinen ­Sieger hinterlassen, dafür aber das ­Zwei-Parteien-System beendet.

Den ersten Schlag hatte der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy bereits ein paar Tage vor der Wahl kassiert. In Pontevedra hatte sich ein 17jähriger dem Regierungschef unter dem Vorwand genähert, ein Foto machen zu wollen. Direkt nach dem Selfie holte der Jugendliche aus und schlug Rajoy mit der Faust ins Gesicht. Bei den Parlamentswahlen am Sonntag gab es indes nur eine Ohrfeige für die regierende konservative Volkspartei (PP). Obwohl sie ein Drittel ­ihrer Wählerschaft verlor, blieb sie mit knapp 29 Prozent der Stimmen stärkste Partei. Ihr oligarchischer Regierungsstil jedoch wird durch den Verlust der absoluten Mehrheit jetzt ein Ende haben. Der wirkliche Wahlsieger ist die Protestpartei Podemos, die nach zuletzt sinkenden Umfragewerten nun auf 20 Prozent der Stimmen kam und zukünftig nur knapp hinter den Sozialdemokraten des PSOE die drittstärkste Kraft im Parlament stellen wird. Die bürgerliche Antwort auf Podemos, die rechtsliberale Partei Ciudadanos, bekam nur 14 Prozent, weniger als er­wartet.
Das seit Einführung der Demokratie zementierte Zwei-Parteien-System, in dem sich die Konservativen und die Sozialdemokraten an der Macht abwechselten, ist nun aufgebrochen. Zum ersten Mal seit dem Ende der Franco-Diktatur wird zur Regierungsbildung eine Koalition nötig sein, nur weiß derzeit niemand, wie diese aussehen soll. Eine Minderheitenregierung aus den linken und sozialdemokratischen Kräften nach portugiesischem Vorbild würde knapp an der erforderlichen Mehrheit scheitern, selbst wenn sich die Parteien hinsichtlich der Haltung zur katalanischen Unabhängigkeit einigen könnten. Ein rechtes Bündnis aus PP und Ciudadanos käme auf noch weniger Sitze. Zudem steht Ciudadanos zwar politisch dem PP nahe, ihr Wahlerfolg gründet sich aber auch darauf, dass sie nicht zur alten »politischen Kaste« gehört und im Wahlkampf gegen den bis in die höchsten Ebenen der Regierung reichenden Filz aus Korruption und Vetternwirtschaft wetterte. Nur eine große Koalition würde die absolute Mehrheit erreichen. Angesichts des aggressiven Wahlkampfes inklusive gegenseitiger Beschimpfungen vor laufenden Kameras scheint dies aber wenig wahrscheinlich.
So bleibt es auch nach der Wahl angespannt auf der iberischen Halbinsel. Zugleich wurde deutlich, dass noch immer keine politische Antwort auf die soziale Krise gefunden wurde. Das erstaunlich gute Abschneiden von Podemos ist eher dem Mangel an Alternativen als einer weiterhin vom linkspopulistischen Konzept überzeugten Wählerschaft geschuldet. Podemos scheint für viele trotz wachsender Kritik an der zelebrierten basisdemokratischen Inhaltslosigkeit noch immer die bessere Wahl zu sein. Die linke Traditionspartei Izquierda Unida rutschte von neun auf zwei Sitze ab, im Baskenland verlor EH Bildu aus den Reihen der linken Unabhängigkeitsbewegung ebenfalls ein Drittel ihrer Stimmen. Von einem Linksrutsch kann also keine Rede sein, weder ist Podemos eine »ultralinke« Partei (Die Welt), noch wurde am Sonntag in Spanien die Austerität politisch besiegt, wie der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras am Montag stolz verkündete. Hierfür wird auch zukünftig eine große außerparlamentarische Bewegung nötig sein. Mit Podemos in der Regierung würde diese jedoch weiter geschwächt werden.