Die Konfrontation zwischen Saudi-Arabien und dem Iran

Verfeindete Brüder

Die Konfrontation zwischen dem Iran und Saudi-Arabien ist ein Abwehrkampf der Diktaturen – mit gefährlichen Konsequenzen.

Die härtesten Streitigkeiten, das lehrt die Kriminalisitik, finden im engsten Familienkreis statt. Verwunderlich ist es also nicht, dass jene beiden Staaten der islamischen Welt, in denen die strengste Auslegung der Sharia gilt, so erbitterte Feinde sind. Man kann die Konfrontation als einen Erbfolgestreit betrachten. Ali Khamenei, oberster Führer des Iran, gilt als Statthalter des Mahdi, des Erlösers, der Führungsanspruch des islamistischen Regimes ist in der Verfassung festgeschrieben. Der König von Saudi-Arabien, »Hüter der beiden heiligen Stätten« Mekka und Medina, versteht sich nicht als Denkmalspfleger, mit Milliarden von US-Dollar verbreitet die Monarchie die wahhabitische Staatsdoktrin in aller Welt.
Dass aus den konkurrierenden Ansprüchen ein konfessioneller Konflikt wurde, ist ein Ergebnis dieser machtpolitischen Auseinandersetzung, nicht dessen Ursache. Gegen die schiitischen Emporkömmlinge im Iran unterstützte Saudi-Arabien sunnitische Organisationen; die Ayatollahs fanden ihre Verbündeten unter ehrgeizigen schiitischen Politikern. Es geht um die Vorherrschaft in der Region, für beide Diktaturen aber auch um die innenpolitische Legitimation und eine Rechtfertigung für die Repression. Wer sich gegen sie stellt, gilt ihnen als ein Feind Gottes.
Das islamistische Regime des Iran betrieb immer eine aggressiv antiisraelische Politik und rüstete die Hizbollah auf, enthielt sich aber ansonsten außenpolitischer Abenteuer im Stil Saddam Husseins. Mit dem Eingreifen in den syrischen und indirekt über die Unterstützung der Houthi-Miliz auch den jemenitischen Bürgerkrieg hat sich das Regime jedoch auf eine expansive Machtpolitik festgelegt. Das saudische Königshaus, das sich zuvor weitgehend auf Scheckbuch-Islamismus beschränkte, interveniert nun militärisch im Jemen, da das US-Militär zur Vertretung seiner Interessen nicht mehr zur Verfügung steht.
Nicht zufällig geht die aggressivere Außenpolitik in beiden Staaten einher mit einer noch härteren Repressionspolitik im Inneren, deren deutlichstes Zeichen die steigende Zahl von Hinrichtungen ist. Die Herrscher beider Länder handeln nicht aus einer Position der Stärke. Ihre Interventionen in der Region sollen den Kampf für Demokratie in konfessionellen Kämpfen ersticken, zudem dienen die Massaker als Warnung an die Bevölkerung in den eigenen Ländern, sich nicht zu erheben. Auch im Inland soll die Konfessionalisierung die Opposition spalten, die jeweiligen religiösen Minderheiten geraten unter stärkeren Druck.
Im Jahr 2011 haben die westlichen Regierungen der Opposition in der Golfmonarchie Bahrain die Unterstützung verweigert, die überwiegend schiitisch, aber nicht proiranisch war und mit einem demokratischen Programm antrat. Auch die saudischen Schiiten können nicht mit Hilfe rechnen. Kann Unterstützung allein aus dem Iran erwartet werden, wird dies die proiranischen Kräfte in der Opposition stärken. Im Iran, wo die Massenproteste im Jahr 2009 ebenfalls keine Unterstützung erhielten, gibt es nun Anzeichen dafür, dass der sunnitische Jihadismus Anhänger gewinnt. Unverzichtbar ist der Kampf gegen die Konfessionalisierung, nicht die Zusammenarbeit mit diesen beiden Diktaturen, die nun von den von ihnen geförderten Stellvertreterkriegen selbst erfasst werden könnten.