Berlin Beatet Bestes. Folge 323. David Bowie.

Der ewige Hipster

Berlin Beatet Bestes. Folge 323. David Bowie.

Einer zieht zwei nach sich«, sagten wir im Pflegeheim immer, wenn ein Bewohner starb, denn oft starben seltsamerweise kurz danach noch zwei weitere. An diesen Spruch musste ich auch denken, als Lemmy am 28. Dezember starb, wenige Tage nach seinem 70. Geburtstag. Und tatsächlich, am 4. Januar, folgte ihm Achim Mentzel und am 10. Januar David Bowie, beide im Alter von 69 Jahren.
Früher starben Popstars mit 27. Ist 69 jetzt das neue 27? Die drei waren jedenfalls in gewisser weise Typen wie aus dem Western »The Good, The Bad and the Ugly«. Bowie war der Gute, Lemmy der Böse und Achim Mentzel, nun ja. Gegen David Bowie lässt sich nicht viel sagen. Er hat 50 Jahre lang die Popgeschichte geprägt, ob als Stilikone des Swinging London, Glam-Rocker in den Siebzigern oder Mainstream-Popper der Achtziger, da ist eigentlich musikalisch für jeden Geschmack ­etwas dabei. Aber vor allem sah Bowie einfach so unglaublich gut aus. Bowie war bereits überhip, bevor seine Karriere richtig losging. Er war einer der Erfinder des gegen­wärtigen Jugendwahns. Die Jugend ist immer schön – aber die Jugend der Sixties behaup­tete von sich, die schönste aller Zeiten gewesen zu sein.
Mir hat Bowie nie viel bedeutet, er war der Held meiner Freundinnen. Sie standen auf diesen Typus magersüchtiger Schönling, deren unangefochtener Gott Bowie war. In den Sieb­zigern war ich zu jung, um seine Wirksamkeit als Proto-Punk mitzukriegen, und als ich Teenager war, kam er auch schon mit »Let’s Dance«. Ja, es ist ein perfekter Pop-Song, aber eben auch völliger Mainstream. Bowie hatte außer »Suffragette City« nie viel echten Rock zu bieten. Trotzdem war ich 1981 ganz verrückt nach seinem »John, I’m Only Dancing«. Allerdings in der Version der Polecats, denn die rockt um einiges mehr als die von Bowie.
Während sich die Jugend der Sechziger noch selbst feierte, hatte die der Achtziger ein eher gebrochenes Selbstbild: »Jung kaputt spart Altersheime«. Und kaputt kleideten wir uns auch. Alle liefen in ollen Second-Hand-Klamotten rum. In den frühen achtziger Jahren glaubte ich als Teenager oft aus der Ferne Bekannte zu erkennen, entdeckte dann aber beim Näherkommen, dass in den Salz-und-Pfeffer-Mänteln aus den Fünfzigern die Originalrentner steckten.
Bowie hat den Jugendwahn zeitlebens propagiert, er war der ewige Hipster, der sich immer auf der Höhe der Zeit neu erfand. Und er war so clever, dass er es schaffte, zu einem der reichsten britischen Musiker zu werden. Der androgyne Bowie war in jeder Hinsicht der Anti-Lemmy. Lemmy war vor allem gradlinig. Auch Achim Mentzel spielte immer nur für sein Publikum. Aber selbstverständlich war Bowie nicht nur schöner, wohlhabender und erfolgreicher als die anderen beiden, er war auch kreativer. Seine letzten Platten, die er offensichtlich vor allem zu seinem eigenen Vergnügen aufgenommen hat, sind sehr unkommerziell.
Mein Name ist Andreas Michalke. Ich zeichne den Comic »Bigbeatland« und sammle Platten aus allen Perioden der Pop- und Rockmusik. Auf meinem Blog Berlin Beatet Bestes (http://mischalke04.wordpress.com) stelle ich Platten vor, die ich billig auf Flohmärkten gekauft habe.