Was ist geblieben von jener Aufbruchstimmung, mit der Postrock spätestens seit Mitte der neunziger Jahre für Optimismus in der Popkritik sorgte? Wer redet heute noch von der Chicagoer Musikszene, von Thrill Jockey, einem Label, das damals im Zentrum der verjazzten Popmusik stand – die doch strenggenommen jede Festlegung vermied und auch deshalb zum Hoffnungsträger der progressiven Musikfans wurde? Tortoise, das Instrumental-Quintett rund um John McEntire, ist eine der prägendsten Bands jener Tage. Ihr Album »TNT«, 1998 mit einem mittlerweile stilbildend gewordenen Cover erschienen, enthielt tatsächlich musikalischen Sprengstoff. Einen, der freilich mit sehr lässiger Geste gezündet wurde: Von sperrigem Avantgardismus war keine Spur. Tortoise collagierten Krautrock, Dub, Ornette Coleman, traten mal mit ein, mal mit zwei oder drei Schlagzeugen auf, verleibten sich die Musikgeschichte im Vorbeigehen ein und schienen etwas zu fabrizieren, das aus der Endlosschleife ewiger Neuerungen hervortrat: eine Musik über Musik. Souverän und dem musikalischen Material gegenüber intellektuell distanziert. Ein Vorgehen, das Tortoise nicht auf ihr eigenes Schaffen anwenden. »The Catastrophist«, ihr siebtes reguläres Studioalbum, ist zu selbstgenügsam ausgefallen. Die Band zitiert ihr eigenes Werk, brüht müde auf, was damals neu war, und verwaltet ihren Stil. Das dieser unverwechselbar ist, steht außer Frage. Angesichts der Hoffnungen aber, die einst mit Tortoise verbunden waren, ist es eine Enttäuschung.
Tortoise: The Catastrophist (Thrill Jockey/Rough Trade)