Piraten und Linke tauschen die Parteibücher

Red Is the New Orange

Während 35 ehemalige Mitglieder der Piratenpartei bei der Berliner Abgeordneten­hauswahl im Herbst die Linkspartei unterstützen wollen, präsentierte der Landesvorsitzende der Piratenpartei als Neuzugang eine ehemalige Linke.

Warum es keine gute Idee ist, aus einer Partei auszutreten und gleichzeitig mit den ehemaligen Kollegen weiter in einer Fraktion zu bleiben, zeigen die Berliner Mitglieder und Ex-Mitglieder der Piratenpartei nun schon seit mehr als einem Jahr. Während man sich auf Twitter gern und ausgiebig gegenseitig rufmordet, arbeitet man im Abgeordnetenhaus weiterhin zusammen, was selbst die letzten verbliebenen potentiellen Wähler nicht immer verwirrungsfrei zur Kenntnis nehmen. Doch die meisten Angehörigen der Fraktion werden am 18. September dieses Jahres ohnehin nicht zur Wiederwahl stehen.
Die Landesmitgliederversammlung der Piratenpartei am Wochenende wurde von einer gemeinsamen Erklärung überschattet, in der 35 ehemalige, teils prominente Mitglieder die orangefarbene Splitterpartei für tot erklärten und der Linkspartei ihre »kritische Unterstützung« zusagten. Zu ihnen gehört unter anderem Martin Delius, der als Mitglied des Untersuchungsausschusses zum immer noch nicht fertigen Flughafen Berlin-Brandenburg einen Zwischenbericht vorgelegt hatte, in dem die Öffentlichkeit umfassend über die Ursachen für die zahlreichen Bauverzögerungen informiert wurde.
Wenig überraschend hatte der Berliner Vorsitzende der Piratenpartei Bruno Gert Kramm eine völlig andere Sicht der Dinge. Außerdem versprach er eine Überraschung: Es sei ihm gelungen, eine prominente Linke zur Kandidatur für die Piratenpartei zu bewegen. Nun könnte es eigentlich egal sein, wer auf welchem Listenplatz im Herbst nicht für die Piratenpartei ins Abgeordnetenhaus einzieht, denn in Umfragen liegt sie stabil und deutlich unter fünf Prozent.
Anhand seiner Überraschungskandidatin wurde schnell klar, wohin Kramm die Partei steuern möchte: Lea Frings, die ihrer Facebook-Seite zufolge am Tag zuvor bei der Kölner Linkspartei ausgetreten war, ist ehemalige Moderatorin des russischen Propagandasenders RT Deutsch – dort, wo Kramm eine Zeitlang Dauergast war. Dazu engagierte sie sich bei den sogenannten Montagsdemonstrationen und war eine der Unterzeichnerinnen des Aufrufs zum »Friedenswinter«. Frings landete schließlich auf Platz 20 der Landesliste.
Unterdessen führten auf Twitter Piraten und Piratenähnliche noch während des Parteitags das auf, was sie am besten können, nämlich sich ausdauernd gegenseitig vorwerfen, links oder rechts oder irgendwas dazwischen und vor allem schuld am jetzigen und künftigen Niedergang der Partei zu sein – während Fraktionsangehörige im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses sich bemühten, die fragwürdigen Einsätze der Berliner Polizei in der Rigaer Straße aufzuklären.
Bei der Linkspartei freut man sich derweil über die neuen Mitglieder und Unterstützer. Der Berliner Landesvorsitzende Klaus Lederer schrieb auf Facebook, dass er sich schon sehr über den »Kompetenzzuwachs« durch die ehemaligen Piraten freue, und fügte süffisant, auf eine gemeinsame Veranstaltung unter diesem Titel anspielend, hinzu: »Und schon morgen diskutieren wir ›Mit 3D-Druckern den Sozialismus ausdrucken?‹«