Der islamistische Anschlag in Burkina Faso

Tod auf der Terrasse

In Burkina Faso haben Jihadisten Angriffe auf Hotels und Restaurants in der Hauptstadt verübt. Die Behörden des Landes schienen auf einen derartigen Terrorangriff nicht vorbereitet gewesen zu sein.

Einen Abend und eine ganze Nacht lang dauerte es, bis die Angreifer unschädlich gemacht waren. Gegen 19 Uhr begann am 15. Januar der Angriff auf mehrere Hotels in Ouagadougou, der Hauptstadt des westafrikanischen Landes Burkina Faso. Vom Hotel Ybi, ihrem ersten Angriffsziel, ließen die Terroristen ab, da es sich offensichtlich im Umbau befand. 50 Meter weiter attackierten sie dann das Hotel-Restaurant Le Cappuccino, wo viele Gäste an jenem Freitagabend auf der Terrasse saßen. Von insgesamt 30 Opfern des Terrorangriffs kamen dort allein 26 ums Leben.

Die Geiselnahme im gegenüberliegenden Hotel Splendid dauerte bis in die Morgenstunden. Dann wurden die drei Schwerbewaffneten durch burkinische Einsatzkräfte in Zusammenarbeit mit französischen und US-amerikanischen Soldaten gestellt. Zwischen sieben und acht Uhr wurden die drei getötet, nachdem sie zuvor um sich geschossen hatten. Dem Bekennerschreiben der jihadistischen Organisation al-Mourabitoun zufolge, die mit »al-Qaida im Land des islamischen Maghreb« (Aqmi) verbunden ist, handelte es sich um drei ihrer Mitglieder: al-Battar al-Ansari, Abu Muhammad al-Buqali al-Ansari und Ahmad al-Fulani al-Ansari. Der Namenszusatz »al-Ansari« bedeutet in etwa »der Anhänger« und soll einen Bezug zu den frühislamischen Anhängern des Propheten Mohammed suggerieren. Aqmi ging 2007 aus dem salafistischen Flügel der vormals in Algerien kämpfenden bewaffneten Islamisten hervor.
Bei den 30 Opfern der Jihadisten handelt es sich um Menschen unterschiedlicher Nationalität. Neben acht Staatsangehörigen Burkina Fasos wurden unter anderem sechs Kanadierinnen und Kanadier getötet, die in einem humanitären Projekt im Land gearbeitet hatten, zwei sozialdemokratische Politiker aus der Schweiz und drei Franzosen, die bei einer Transportfirma angestellt waren. Das mit Abstand prominenteste Opfer – neben dem 82jährigen Schweizer Politiker Georgie Lamon, der sich zur Unterstützung einer Bildungskampagne in Burkina Faso aufgehalten hatte – war die 33jährige französisch-marokkanische Doppelstaatsbürgerin Leila Alaoui. Sie war unter anderem durch ihre Fotoarbeiten und ihren Einsatz für Migranten und Flüchtlingen bekannt geworden. In Burkina Faso hielt sie sich im Rahmen einer Mission für Amnesty International auf. Alaoui befand sich in einem Auto, das von den Jihadisten attackiert wurde, und starb später in einem Krankenhaus. Kritisiert wurde, dass französische Diplomaten und Behörden sich nicht um ihre Staatsbürgerin kümmerten, sondern dies ausschließlich ihren marokkanischen Kollegen überließen.

Einige Fragen sind noch offen. Insbesondere die, warum es so lange dauerte, bis die Einsatzkräfte eingriffen. Der erste Versuch, die Jihadisten auszuschalten, fand erst nach Mitternacht statt. Sondereinsatzkräfte der Gendarmerie Burkina Fasos hatten gegen 22 Uhr Stellung bezogen, rund drei Stunden nach Beginn des Angriffs. Berichten französischer und lokaler Medien zufolge führten zwei Probleme zur mehrstündigen Verzögerung. Erstens waren die Polizeikräfte Burkina Fasos nicht auf einen solchen Einsatz vorbereitet. Die Reaktion auf einen Terroranschlag dieser Art war nie durchgespielt oder geübt worden. Zwar hatten Übungen zum Umgang mit einer Geiselnahme stattgefunden, diese waren aber auf den Flughafen und dessen Topographie beschränkt. Zweitens führte, als die Sondereinsatzkommandos gegen 22 Uhr bereit waren, eine Anordnung der seit langen Jahren in Burkina Faso präsenten Elitetruppe der französischen Armee, des Commandement des opérations spéciales (COS), zu weiteren Verzögerungen. Die Franzosen, die die Kontrolle über die Operationen behalten wollten, bestanden darauf, dass erst die Spezialkräfte des französischen Militärs aus Gao im Norden des Nachbarlands Mali eintreffen müssten. Diese wurden per Hubschrauber eingeflogen und landeten zwischen Mitternacht und ein Uhr früh in Ouagadougou.
Weitere Fragen wirft das Verhalten der Jihadisten im Hotel Splendid auf, wo sie sich zuletzt verschanzten. Dort verfügten sie offenbar über Komplizen, denn auf Bildern der Überwachungskameras sieht man die drei in angeregter Unterhaltung mit manchen Gästen. Auch versuchten sie dort anscheinend nicht mehr, Menschen zu töten, sondern schossen nur noch auf Einrichtungsgegenstände oder in die Luft. 33 Gäste wurden dabei verletzt, ein Feuerwehrmann, der Hilfe leisten wollte, wurde getötet. An den anderen Orten hingegen hatten die Attentäter gezielt auf Menschen geschossen und auch Verletzte untersucht, um festzustellen, ob sie noch atmeten, um sie dann zu töten. Ungeklärt ist auch, warum die Jihadisten sich gezielt zu einem Zimmer begaben, das ein indischer Geschäftsmann angemietet hatte.
Die Jihadisten, die bereits in Mali bis zur Südgrenze mit der Côte d’Ivoire aktiv sind, möchten eine Front in der gesamten Sahelzone eröffnen; französische Regierungsbehörden warnten jüngst auch vor Anschlagsrisiken im Senegal und in der Côte d’Ivoire.

Dass die lokalen Behörden so unvorbereitet erschienen, liegt auch daran, dass das alte Regime Burkina Fasos unter dem im Oktober 2014 nach Protesten gestürzten Präsidenten Blaise Compaoré keine große Furcht vor bewaffneten Islamisten hatte. Compaoré, der in zahllosen Konflikten in Westafrika als Vermittler aufgetreten war und in Frankreich deswegen als Friedensstifter dargestellt wurde, unter der Hand aber mit Waffen handelte und etwa den liberianischen Warlord Charles Taylor unterstützte, stand auch mit jihadistischen Organisationen in Kontakt. Als Frankreich unter dem damaligen Innenminister Charles Pasqua 1994 algerische Islamisten auswies, ohne sie nach Algerien ausliefern zu können, hat Compaoré sie als einziger Staatschef bereitwillig aufgenommen.
Unter dem alten Regime glaubte man, Ruhe vor einer jihadistischen Bedrohung zu haben. Zahllose Gerüchte in Ouagadougou ranken sich auch um eine angebliche Unterstützung der Jihadisten durch Vertreter des alten Regimes wie General Gilbert Diendéré, die im September vorigen Jahres mit Unterstützung aus dem Nachbarstaat Côte d’Ivoire einen Putschversuch gegen die damalige Übergangsregierung unternommen hatten. Bislang wurden dafür aber keine stichhaltigen Beweise geliefert, es gibt lediglich politisch plausible Mutmaßungen.
Gesichert ist, dass es grenzüberschreitende Komplizenschaften zur Beendigung des demokratischen Übergangsprozesses und zur Wiederherstellung der alten Verhältnisse gegeben hat. Die Justiz Burkina Fasos und eine Untersuchungsrichterin in Paris ermitteln deswegen auch gegen Guillaume Soro. Der war bis 2012 Premierminister der Côte d’Ivoire und zuvor während des Bürgerkriegs ab 2002 Warlord. Burkina Faso sucht ihn derzeit mit Haftbefehl. Auch in Frankreich wurde während Soros Aufenthalt bei der Pariser Klimakonferenz im Dezember von der Untersuchungsrichterin Sabine Khéris ein Haftbefehl gegen ihn erlassen, dann aber durch übergeordnete Behörden wieder aufgehoben. Die Staatsräson war stärker, Soro ist ein Vertrauter des amtierenden ivorischen Präsidenten Alassane Ouattara. Ob solche polit-kriminellen Seilschaften allerdings wirklich Jihadisten aus taktischen Motiven ausrüsten, wie anhaltende Gerüchte behaupten, ist nicht erwiesen.