Die Anti-Antifa Ostthüringen

Clowns gegen die Königsbande

Das Neunziger-Revival ist auch bei Nazis nicht vorbei: Kürzlich wurde die »Anti-Antifa Ostthüringen« wiederbelebt.

»Wir pissen in Jerusalem die Klagemauer an, am Tag der Revolution! Großdeutschland! Wir hängen Lothar König in der Johannisstraße auf am Tag der Revolution!« Das postete am Freitag die »Anti-Antifa Ostthüringen« auf ihren Kanälen in verschiedenen sozialen Netzwerken. Vier »Gefällt mir«-Klicks später wurde das Posting bei Facebook gelöscht.
Eine Woche zuvor hatten die Betreiber der Facebook-Seite der Anti-Antifa Ostthüringen eine Fotomontage veröffentlicht, mit der sie ihre bekanntesten Gegner im Freistaat verunglimpften. Sie hatten Porträts von Katharina und Lothar König verunstaltet. Der Landtagsabgeordneten der Linkspartei verpassten sie ein blaues Auge sowie eine lädierte Unterlippe mit Zahnlücken, ihrem Vater, dem bundesweit bekannten evangelischen Stadtjugendpfarrer aus Jena, einige leichtere Verunstaltungen. Diese Montage entfernte Facebook, da sie gegen die Standards des Netzwerks verstieß. Die Seite der Anti-Antifa Ostthüringen, auf der noch einige weitere Diffamierungen veröffentlicht wurden, ist dagegen immer noch online.

Auf dem Anfang des Jahres eröffneten Profil wurde von Beginn an gegen Lothar König und seine Familie gehetzt: »Abteilung Königsbande und ihre hässlichen Kinder! Wir sind wieder da, eure Anti-Antifa!« In ihrer Ablehnung des Jugendpfarrers sind sich alle sonst zerstrittenen Fraktionen der extremen Rechten in Thüringen einig, egal ob NPD, »Freie Nationalisten«, die Partei »Der Dritte Weg« oder ihre Konkurrentin von »Die Rechte«. Ein von David Köckert, einem Anführer der Thügida und NPD-Stadtrat in Greiz, veröffentlichtes Bild mit der Überschrift »Manchmal bist du auch als König der Clown« wurde ebenso geteilt wie Postings von »Freien Nationalisten«.

Nach Informationen des Blogs »Thüringen Rechtsaußen« wird die Facebook-Seite der Anti-Antifa Ostthüringen im Auftrag des Thüringer Landesvorstands der Partei »Die Rechte« betrieben. Schon im Dezember verkündete der Landesvorsitzende der Partei, Bert Müller, in einer Videobotschaft an die »liebe Antifa«: »Es wird demnächst eine neue Gemeinschaft auftreten, die wird sich ausschließlich, nur ausschließlich mit euch befassen.« Auf einem Treffen am 9. Januar, das zuvor noch als Landesparteitag von »Die Rechte« beworben worden war, einigte man sich nach Angaben von »Thüringen Rechtsaußen« auf die Wiederbelebung der Aktivitäten gegen die Antifa unter dem alten Label.
Mitte der neunziger Jahre organisierten sich unter dem Namen »Anti-Antifa Ostthüringen« schon einmal Neonazis vor allem aus Jena, Gera und Umgebung. Ende der Neunziger ging die Gruppe dann im »Thüringer Heimatschutz« (THS) auf. Eine zentrale Figur der damaligen Anti-Antifa Ostthüringen war neben dem Rudolstädter Tino Brandt der derzeitige Landesgeschäftsführer von »Die Rechte«, Jörg Krautheim aus Gera. Bereits vor 20 Jahren fiel Krautheim als Verantwortlicher im Sinne des Presserechts für Anti-Antifa-Aufkleber auf, mit denen der THS zu einer Demonstration »gegen linken Terror« im März 1998 in Saalfeld aufrief. Ein Aufklebermotiv zeigte damals die Aufschrift »Antifa zerschlagen« und eine Faust, die das Symbol der Edelweißpiraten zertrümmert. Auf einer von Krautheim damals betriebenen Internetseite wurden zahlreiche Menschen, die sich gegen Rechtsextremismus engagierten, steckbriefartig mit Foto und persönlichen Daten gezeigt.
»Dass angesichts der gegenwärtigen Radikalisierung und Mobilmachung in der extremen Rechten wieder altbekannte Methoden und Strukturen aus Zeiten des Thüringer Heimatschutzes in den neunziger Jahren neu aufgelegt werden war leider fast zu erwarten«, sagt Katharina König der Jungle World. Der Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz, Stephan J. Kramer, bestätigte, dass sein Amt die Aktivitäten mit »personen- oder organisationsbezogenen Hinweisen, die Parallelen zu Vorläufern des späteren NSU vermuten lassen«, aufmerksam beobachte. Dies betreffe auch die »unter dem Namen ›Anti-Antifa Ostthüringen‹ seit Januar bestehende Facebook-Seite«. Derzeit werde geprüft, »ob hier tatsächlich ein organisatorischer Unterbau besteht und dieser gegebenenfalls Verquickungen zu rechtsextremistischen Parteien aufweist«, sagte Kramer der Jungle World.

Anklang finde die neue Seite bei »Neonazis aus Kahla, Saalfeld, Rudolstadt, Gera und Jena, jenen Städten, in denen die Anti-Antifa Ostthüringen bereits in den neunziger Jahren aktiv war«, berichtet »Thüringen Rechtsaußen«. Vor allem die Mitglieder einiger Thüringer Stützpunkte der Partei »Die Rechte« werben für die neue Anti-Antifa. Beim Werben bleibt es nicht. »Einer der ersten Einträge enthält Fotos von einem gestohlenen Transparent, mit dem im November 2015 in Rudolstadt gegen einen Neonaziaufmarsch protestiert wurde«, so »Thüringen Rechtsaußen«. Auf den Fotos ist zu sehen, wie etwa ein Dutzend vermummter Personen das Banner verbrennen. »Noch was für unseren Lothar. Nettes Transparent und es hat so schön gebrannt«, kommentierte der Webmaster das Posting.
Am Donnerstag voriger Woche erhielt Katharina König einen anonymen Brief mit einer Morddrohung. In dem Brief, der an ihr Wahlkreisbüro adressiert war, heißt es, der »Baum« für die Abgeordnete sei längst ausgesucht. Solche Drohungen per E-Mail kämen immer wieder, sagt die Abgeordnete, eine Morddrohung per Brief habe sie dagegen zuletzt im Juni 2015 erhalten. Eine neue Qualität sieht sie aber darin, »dass ein offizieller Landesverband einer neonazistischen Thüringer Partei dahinterzustecken scheint und der Landesvorsitzende ein solches Projekt zuvor unverhohlen per Videobotschaft ankündigte«. Sie befürchtet in Zukunft »eine weitere Radikalisierung sowie eine Zunahme neonazistischer Aktivitäten gegen politische Gegner und Geflüchtete«.
Andere Sorgen hat der ehemalige Präsident des Thüringer Verfassungsschutzes, Helmut Roewer. In einem Interview auf der Videoplattform Youtube wetterte er Ende vergangenen Jahres gegen die »Taugenichtse« in der Politik und die »staatlich bezahlten Kriminellen« auf Demonstrationen gegen Pegida. Es werde eine »Bruchlinie« geben, prophezeite er, wenn eine Regierung der Polizei befehle, »gegen das eigene Volk« vorzugehen. »Da ist dann Schluss mit lustig. Weil die Leute, die ich zumindest kenne, das nicht tun würden.« Auch die Konsequenzen malte Roewer aus: »Da gibt es einen Umsturz, den ich nicht herbeireden will, den ich auch nicht will, den ich auch fürchte.«