Botschaft aus der Botschaft

Selbst wenn Jakob Augstein schneller gewesen wäre – das Alphabet kennt kein Pardon, Julian Assange hätte dennoch an erster Stelle der prominenten Mitglieder von Diem25 (Democracy in Europe Movement 2025) gestanden. Bei der Show zur Gründung der Bewegung am Dienstag vergangener Woche wurde er per Videostream zugeschaltet und mahnte, nur ein geeintes Europa könne sich gegen die USA behaupten. Was macht ihn zum Star der Bewegung? Diem25 möchte als links gelten, Assange aber of­fenbarte 2010 dem Magazin Forbes: »Ich liebe Märkte.« Auch den Zweck der von ihm kommandierten Enthüllungsplattform erläuterte er: »Wikileaks wurde konzipiert, um den Kapitalismus freier und ethischer zu machen.« Drei Jahre später sagte Assange, er sei ein »großer Bewunderer von Ron Paul und Rand Paul«, die libertären Republikaner seien »die einzige Hoffnung« für die US-Politik. Dass Assange, der mit dem staatskritischen Flügel der Tea-Party-Bewegung sympathisiert, umstandslos als Linker adoptiert wird, lässt sich schwerlich anders als mit einem Antiamerikanismus erklären, der dazu motiviert, Unbequemes zu übersehen.
Nicht nur die Liebe zum Markt. Die schwedische Staatsanwaltschaft ermittelt, nachdem die 2010 erhobenen Vorwürfe der sexuellen Belästigung und Nötigung verjährt sind, noch wegen Vergewaltigung gegen Assange, der sich 2012 einem Haftbefehl durch die Flucht in die ecuadorianische Botschaft in London entzog. Bereits damals verteidigten viele Linke Assange, meist mit der Behauptung, die Beschuldigungen seien eine Verschwörung der CIA, nicht selten aber auch mit Märchen über die männerfeindliche Verfolgungswut der schwedischen Justiz und sexistischen Relativierungen. Dass die Working Group on Arbitrary Detention der Uno Anfang Februar Assanges Aufenthalt in der Botschaft als willkürliche Inhaftierung bezeichnete, wird nun als Freispruch gewertet. Doch abgesehen davon, dass die Gleichsetzung eines Fluchtdomizils mit einer Gefängniszelle juristisch fragwürdig ist, urteilte das UN-Gremium allein über Methoden der Strafverfolgung, nicht über die Anschuldigung. Doch ob Vergewaltiger oder nicht – für Diem25 ist das offenbar egal.