Griechenlands Regierung steht unter Druck

Druck von allen Seiten

In Griechenland bleibt die wirtschaftliche Lage miserabel und der Unmut über die Regierung von Alexis Tsipras nimmt zu. Diese ringt damit, die Forderungen der Gläubiger und die der EU zur Grenzsicherung gegen Flüchtlinge zu erfüllen.

Vor einem Jahr hielten Tausende Demonstrierende auf dem Athener Syntagma-Platz vor dem Parlament Plakate mit Unterstützungsparolen für die frischgewählte linke Regierung von Alexis Tsipras hoch. Zu diesem Zeitpunkt verhandelte er in Brüssel mit den Gläubigern eine Schuldenreduzierung und ein Ende der Sparpolitik. In den vergangenen Wochen hat sich die Stimmung in Griechenland stark gewandelt, als immer klarer wurde, dass der Ministerpräsident die Anforderung der Gläubiger umsetzen muss und keinen alternativen Plan parat hat. Die Straßen vor dem Parlament und anderen Regierungsgebäuden werden nun immer wieder Schauplätze für Demonstrationen der Wut und Enttäuschung diverser Bevölkerungsgruppen. An einem Tag protestiert die sogenannte Krawatten-Bewegung – Anwälte und andere Selbständige –, an einem anderen Tag werden demonstrierende Rentner mit Tränengas eingenebelt und von Spezialeinheiten angegriffen. Am Freitag und Samstag voriger Woche campierten auf dem Syntagma-Platz Landwirte aus ganz Griechenland mit der Forderung, die Rentenreform zurückzunehmen. Die Landwirte und viele Selbstständige sollen durch höhere Steuern und Abgaben zur Sanierung der hochdefizitären Rentenkassen und des Staatshaushalts beitragen. Die internationalen Kreditgeber erwarten, dass die griechische Regierung 1,8 Milliarden Euro im Rentensystem einspart.
Bei den Wahlen am 20. September vorigen Jahres, die Tsipras überraschend gewann, obwohl er im Juli im Streit mit den Gläubigern eingelenkt hatte, lag die Wahlbeteiligung bei 55 Prozent, es war die niedrigste der vergangenen Jahrzehnte. Viele jener, die nicht zur Wahl gingen, artikulieren sich jetzt, in einer kopflosen Bewegung. »Die Menschen, die in der nahen Zukunft auf die Straße gehen werden, kann man nicht als Linke oder Rechte bezeichnen, weil weder die Linke noch die Rechte in der Lage sind, diese Wut zu inspirieren und zu organisieren«, schreibt der Kolumnist und Filmemacher Aris Chatzistefanou auf seinem Webportal Infowar.
In einer Umfrage der Universität Makedonien in Thessaloniki sind 85 Prozent der befragten Bürgerinnen und Bürger mit den Leistungen der Regierung unzufrieden. In manchen Umfragen führt mittlerweile die konservative Oppositionspartei Nea Dimokratia, die einen neuen Vorsitzenden hat und versucht, ein anderes Gesicht zu zeigen und die Wähler der Mitte zu gewinnen. Sogar traditionell dem Staat nahestehende Berufsgruppen schicken Warnungen an die Regierung. Die Vereinigung der Richter und Staatsanwälte wies Anfang des Monats in einer Mitteilung darauf hin, dass weitere Austeritätsmaßnahmen die Lebensbedingungen der Bürger beeinträchtigen werden. Griechenland solle aufhören, das wirtschaftliche Versuchsobjekt Europas zu sein. Auch Polizisten demonstrierten vergangene Woche vor dem Sitz des Ministerpräsidenten. »Alexis, warum tötest du dein Volk?« stand auf einen Plakat, das ein Polizist hielt.
Aber auch linke Symbolfiguren kritisieren Tsipras und seine Regierung. Griechenland erlebe die Folgen des Fehlens von politischen Ideen beim Linksbündniss Syriza, schrieb der berühmte Komponist Mikis Theodorakis in einem offenen Brief, und wies darauf hin, dass die Regierung und die Bevölkerung vor dem »Nullpunkt« stünden. Ein paar Tage zuvor hatte der Widerstandskämpfer und ehemalige Europaabgeordnete Syrizas, Manolis Glezos, die griechische Bevölkerung um Entschuldigung dafür gebeten, dass er Menschen vertraut habe, denen es nur um die Macht gegangen sei.
Tsipras hätte derzeit mehr denn je jede Unterstützung nötig, denn er steht zwischen allen Fronten. Der Druck sowohl im Inland als auch aus dem Ausland ist enorm. Er muss unter anderem die unpopuläre Renten- und Steuerreform durchs Parlament bringen, damit Griechenland weitere Hilfskredite bekommt. Seine Koalition verfügt aber nur über eine hauchdünne Mehrheit von 153 der 300 Mandate. Hinzu kommt, dass die Überprüfung der ersten Reformschritte bereits im vergangenen Herbst hätte abgeschlossen werden müssen, damit die vereinbarten Hilfskredite fließen. Nun hofft man, dass dies im März der Fall sein wird. Finanzminister Efklidis Tsakalotos sagte, sein Land werde vor einem ernsten Problem stehen, wenn die Überprüfung bis Mai oder Juni nicht abgeschlossen sei.
Mit dem Entwurf der Rentenreform scheinen die Gläubiger unzufrieden. Vorige Woche hat der Direktor der Europa-Abteilung des Internationalen Währungsfonds, Poul Thomsen, die Reformpläne der Regierung kritisiert und von ihr verlangt, einen »einen glaubwürdigen Plan vorzulegen, wie sie ihr sehr ehrgeiziges mittelfristiges Überschussziel erreichen will«. Erneut wird eine Delegation der Gläubigerinstitutionen in Athen erwartet.
Die EU-Kommission sagt den Griechen ein schwieriges Jahr voraus: Die Wirtschaft wird demnach um 0,7 Prozent schrumpfen. Die Arbeitslosenrate liegt immer noch über 24 Prozent. Viele junge Menschen emigrieren weiterhin auf Arbeitssuche und Hunderte Unternehmen verlegen ihren Sitz nach Zypern oder Bulgarien, um hohen Steuern zu entgehen.
Des Weiteren droht Griechenland ein vorübergehender Ausschluss aus dem Schengen-Raum, dem Land werden Mängel bei der Grenzsicherung gegen Flüchtlinge vorgeworfen. Ein Ausschluss hätte weitere schlimme Folgen für die schwer angeschlagene Wirtschaft, nicht zuletzt den Tourismussektor. Die Tatsache, dass andere Länder entlang der Balkan-Route ihre Grenzen immer stärker abriegeln, setzt die Regierung weiter unter Druck, da man damit rechnet, dass Tausende von Schutzsuchenden in Griechenland steckenbleiben werden, obwohl das Land kaum in der Lage ist, sie zu versorgen. Griechenland hat nun vier der fünf sogenannten Hotspots, der Registrierungsstellen für Flüchtlinge, auf seinen Inseln fertiggestellt. Das Verteidigungsministerium hat die Verantwortung für Organisation und Betrieb dieser Hotspots übernommen. Darüber hinaus sind zwei große Flüchtlingslager bei Piräus und Thessaloniki geplant. Auch gegen diese Pläne gibt es immer wieder Proteste von Bürgern und der lokalen Verwaltung.
Die Zustimmung der Regierung für einen Nato-Einsatz in der Ägäis, um die Flüchtlinge außerhalb europäischer Gewässer zu stoppen, wird von vielen Griechinnen und Griechen als ein weiterer Schlag gegen die Souveränität des Landes betrachtet. Immer mehr Griechen sehen die EU kritisch. Einer neuen Studie des Instituts Dianeosis zufolge glauben mehr als 46 Prozent der Befragten, dass der Beitritt zur EU der wirtschaftlichen Entwicklung in Griechenland geschadet habe. Beobachter fürchten, dass die nationalistischen Kräfte in Griechenland erstarken, was zu mehr politischer Instabilität sowie sozialen Unruhen führen und auch den Weg für Griechenlands Ausschluss aus der Euro-Zone ebnen könnte.