Bekannte französische Antisemiten bekommen Probleme

Zwei wie Pech

Alain Soral und Dieudonné M’bala M’bala sind die bekanntesten antisemitischen Agitatoren in Frankreich. Derzeit haben die beiden Rechtsextremen mit Schwierigkeiten zu kämpfen.

Es ist eine schöne runde Summe: Zur Zahlung von 10 000 Euro wegen antisemitischer Äußerungen verurteilte ein Pariser Gericht in der vergangenen Woche den rechtsextremen Schriftsteller Alain Soral. Er hatte den Journalisten Frédéric Haziza im März 2014 auf seiner Website als »kleinen Frédéric« und »Quasimodo des 1 000jährigen Unglücks« bezeichnet, der »den traurigen Schatten des ewig wandernden Juden« mit sich herumtrage. Der antisemitische Charakter dieser Äußerungen sei offensichtlich, so das Gericht.
Auch ein anderer sieht sich zurzeit nicht auf der Seite der Gewinner. Die Worte des Mannes triefen vielmehr vor Bitterkeit. Er beschwert sich, in einem Land zu leben, das verrückt geworden sei. »Noch nie bin ich jemandem begegnet, der Weisheit und Vernunft ausstrahlte, noch nie«, beklagte er sich in einem Telefongespräch, das kurz vor Weihnachten dank einer Indiskretion von der Website Quartiers Libres publik wurde. Er werde noch ein Stück zur Aufführung auf die Bühne bringen »und es noch zwei oder drei Jahre machen«, kündigt er an, und sich dann zurückziehen, wohl in ein afrikanisches Dorf.
So klingt es aus dem Mund von Dieudonné M’bala M’bala, einem Comedian mit kamerunischem Vater und französischer Mutter, der in den vergangenen Jahren in Frankreich als antisemitischen Agitator große Bekanntheit erlangte. Oft verschanzte er sich dabei hinter der Behauptung, es gehe ihm nur um doppelbödigen Humor, er beanspruche die künstlerische Freiheit für sich. Doch appellierte er stets an das antisemitische Ressentiment. Und seit 2004 tat er dies meist im Zusammenspiel mit Soral.
Mit dem Dezember 2006, als erstmals Führungspersonal des Front National (FN) eine seiner Aufführungen besuchte, begann eine Liason mit der extremen Rechten. Von 2007 bis 2009 bekleidete Dieudonnés Weggefährte Soral eine Führungsposition beim FN, wo er jedoch auf wachsende Widerstände stieß. Soral widmete sich fortan vor allem seiner ebenfalls 2007 gegründeten Vereinigung Egalité & Réconciliation (E&R, Gleichheit und Aus­söhnung).
E&R ist auch ein mehr oder minder florierendes Wirtschaftsunternehmen. Antifaschistische Gruppen machten erstmals im Frühjahr 2015 Finanzdokumente von Sorals Verein öffentlich. E&R betreibt vor allem Internethandel. Zu den angebotenen Produkten ge­hören hauptsächlich Bücher, wobei 2014 die Neuauflage von fünf antisemitischen Klassikern aus dem späten 19. Jahr­hundert wie »La France juive« von Édouard Drumont gerichtlich ­untersagt wurde. Daneben handelt E&R mit CDs, Wein und anderen Produkten. Mit Blick auf die kursierenden Survival-Ideologien, denen zufolge nur die Stärksten beziehungsweise am besten Ausgestatteten die herannahende Superkrise überleben werden, verkauft der Verein angeblich auch Überlebenszelte und Küchenutensilien, das in der Lage sei, das Ende der Welt zu überstehen.
Weitere Veröffentlichungen über das Finanzgebaren wie über die Ideologie der Gruppe brachte im Spätsommer 2015 das Buch »Le système Soral« und im Januar dieses Jahres der Artikel »Soral Leaks«. Beide wurden von der ­Internetzeitschrift Street Press veröffentlicht. Mit dem Buchtitel ging sie zum ersten Mal auch auf den Printmarkt. In rechtsextremen Kreisen wurden die Veröffentlichungen sehr wohl wahrgenommen. In der Nacht zum 12. September griff ein Mann den Verleger des Buches körperlich an. »Le système Soral« war zu dem Zeitpunkt erst seit zehn Tagen im Verkauf. Das Opfer musste am Kopf genäht werden, ein Pariser Gericht verurteilte den Angreifer im November zu sechs Monaten Haft auf Bewährung.
Der Artikel vom Januar ergänzt die im Buch enthaltenen Informationen. Der monatliche Umsatz von E&R betrug demnach 2014 und 2015 jeweils etwa 160 000 Euro. Die Autoren konnten auch Unterlagen über die Mitglieder von E&R auswerten. In den beiden zurückliegenden Jahren verfügte die Gruppe demzufolge über ungefähr 4 200 Beitragszahler im Internet. Hinzu dürften noch einige Barzahler kommen, doch tatsächlich wickelt E&R einen großen Teil der Transaktionen im Netz ab. Im Internet finden sich zudem, auch auf einem Kanal bei Yout­ube, Stunden dauernde Videokonferenzen von Alain Soral, in denen er die Welt erklärt. Seit Sommer 2014 sind sie allerdings kostenpflichtig, der Agitator verlangt zwei Euro pro Video. Öffentliche Aufmerksamkeit erregte er zuletzt im November 2015 mit Verschwörungstheorien über die Pariser Attentate (Jungle World 47/2015), unter Verweis auf die angeblich jüdischen Eigentümer des angegriffenen Bataclan – die den Konzertsaal allerdings bereits im September verkauft hatten.
Unter den Namen der Beitragszahler fanden die Journalisten von Street Press auch einen ihrer Mitarbeiter, was sie als Beleg für die Authentizität der Listen werteten. Auch der 28jährige FN-Bürgermeister von Fréjus an der Côte d’Azur, David Rachline, und andere Mitglieder der Partei Le Pens befanden sich unter den Beitragszahlern. Inzwischen kehrten diese Parteimitglieder E&R jedoch auf innerpartei­liches Drängen hin den Rücken.
Zwischen Dieudonné und Soral laufen die Dinge mittlerweile längst nicht mehr so gut, wie es einmal der Fall war. Die Egozentrik Sorals, über den Dieudonné sich auch in dem Telefon­gespräch beklagt, spielt dabei sicherlich ebenso eine Rolle wie seine notorische Geldgier. Dieudonné führt dazu aus: »Wir stehen einander nicht so nahe, wie es aussieht. Wir machen keine Geschäfte miteinander.« Der Comedian fühlt sich allem Anschein nach ausgenutzt, wie man dem weiteren Verlauf des ­Telefonats entnehmen kann. Doch der unlautere Partner ist nicht seine größte Sorge. Die im Mai 2013 eingeführte gleichgeschlechtliche Ehe ist für Dieudonné ein Grund, warum es mit Frankreich bergab geht.
Noch schneller als mit Frankreich ging es jedoch mit der gemeinsamen Parteigründung bergab, die Dieudonné und Soral im November 2014 angekündigt hatten (Jungle World 45/2014). Zur selben Zeit brach damals ein Skandal los, der für beide Männer zum Verlust eines Großteils ihres organisa­torischen Netzwerks in den Banlieues führte. Beide hatten damals unter jüngeren Rappern und anderen Musikern mit dem Argument für sich geworben, die Musikindustrie sei »moralisch verkommen« und es sei deswegen besser, für die »Dissidenz« – so bezeichnen Soral und Dieudonné selbst ihre Strömung – Musik zu machen.
Doch Soral benutzte das Casting vor allem dazu, sich von seinen Gehilfen junge Frauen zuführen zu lassen. Im Herbst 2014 begann die »Bintu-Affäre«, benannt nach einer schwarzen fran­zösischen Sängerin, die später nach Los Angeles ging. Soral hatte erheblichen psychischen Druck auf sie ausgeübt und sie sogar zu erpressen versucht, um sexuelle Zuwendung zu erhalten. Diese Affäre, aber auch der Skandal um junge Männer, die jahrelang kostenlos für die Anführer der »Dissidenz« ge­arbeitet hatten und nun eine Bezahlung einforderten, erschütterte das Vertrauen der organisierten Basis in Soral und Dieudonné. Um die Parteigründung ist es seitdem still geworden. Über Internet und soziale Medien übt Soral jedoch nach wie vor Einfluss aus – was ihn zuweilen wie im Fall des jüngsten Gerichtsurteils aber auch Geld kosten kann.