Gute Chancen für die AfD: In Sachsen-Anhalt wird gewählt

Auf der Empörungswelle in den Magdeburger Landtag

Die »Alternative für Deutschland« hat gute Chancen, bei der Wahl in Sachsen-Anhalt ins Parlament einzuziehen. Der dortige Landesverband steht selbst für die Verhältnisse dieser Partei ganz weit rechts.

Noch im vergangenen September stand der Einzug der »Alternative für Deutschland« (AfD) in den Landtag von Sachsen-Anhalt keineswegs fest. Damals prognostizierte eine Umfrage von Infratest Dimap der Partei bei der kommenden Wahl im »Land der Frühaufsteher« gerade mal fünf Prozent.
Das war noch während der Nachwehen des kurzen Sommers der »Willkommenskultur«, als Flüchtlinge an deutschen Bahnhöfen mit offenen ­Armen empfangen wurden. Die Kanzlerin sagte: »Wir schaffen das«, und bis auf die üblichen Verdächtigen schien das zunächst niemanden so richtig zu stören. Erst später nahm die Krisen- und Überlastungsdebatte so richtig Fahrt auf. Sie bescherte der AfD eine enorme mediale Präsenz und die Möglichkeit, sich als Bollwerk gegen die Flüchtlinge zu inszenieren. Was folgte, waren Versuche der Regierungsparteien, ihre Schäfchen am rechten Rand wieder einzufangen, was zu einem weiteren Rechtsruck der öffentlichen Meinung beitrug.
Die AfD in Sachsen-Anhalt profitiert derzeit deutlich von der allgemeinen Empörung. Dem Landesverband mit seinem Vorsitzenden und Spitzenkandidaten André Poggenburg prognostizierte Infratest Dimap vergangene Woche für die Landtagswahl am 13. März rund 17 Prozent der Stimmen.
Angesichts solcher Umfrageergebnisse wirken die regierenden Parteien CDU und SPD hilflos. Beim Wahlkampfauftakt seiner Partei in Halle griff Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) tief in die konservative Mottenkiste. »Rechts von der CDU darf es keine demokratische Alternative geben«, sagte er in Anspielung auf das Credo des früheren CSU-Vorsitzenden Franz Josef Strauß. Haseloff fuhr fort: »Wir sind die Alternative für Deutschland.«
Sebastian Striegel, der innenpolitische Sprecher der Grünen im Magdeburger Landtag, sagt im Gespräch mit der Jungle World: »Reiner Haseloff versucht, die AfD rhetorisch rechts zu überholen. Gegen die AfD hilft aber nicht, ihre Positionen in den Diskurs zu holen und ihre Forderungen zu kopieren, sondern klare und überzeugende Gegenkonzepte.« Haseloff war der erste Ministerpräsident, der, entgegen der Politik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), eine konkrete Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen forderte. Striegel kritisiert das: »Er redet – angesichts von lediglich 30 000 Geflüchteten in Sachsen-Anhalt – von einer Überforderung, die es nicht gibt.«
Auch in den Medien gibt es kaum noch ein anderes Thema als die AfD, wenn es um den Wahlkampf geht. Die Berichterstattung schwankt zwischen Faszination für den rasanten Aufstieg der Partei und moralischer Verurteilung. Dabei ist die AfD in Sachsen-Anhalt personell schwach. Gerade mal 320 Mitglieder zählt der im April 2013 gegründete Landesverband. Seit seinem Bestehen ist er geprägt von Streit, Skandalen und Pannen. Dabei ging es nicht nur um die Austritte infolge der Abspaltung des wirtschaftsliberalen Flügels um Bernd Lucke im Sommer, sondern auch um Haftbefehle, Vorstrafen, Porno-Episoden und verurteilte Nazischläger. Spitzenkandidat Poggenburg geriet vor kurzem wegen unbezahlter Rechnungen in die Schlagzeilen. Ein ehemaliger Kreistagsabgeordneter warf ihm vor, mit den Abgeordnetendiäten im Landtag sein erfolgloses Unternehmen sanieren zu wollen.
Der Landesverband der AfD Sachsen-Anhalt und ihr Vorsitzender zählen zur völkisch-nationalistischen Strömung »Der Flügel« innerhalb der Partei. Poggenburg und der Thüringer AfD-Vorsitzende Björn Höcke gehörten seinerzeit zu den entschiedensten Gegnern des damaligen Bundesvorsitzenden Lucke. Gemeinsam initiierten sie die »Erfurter Resolution«, die klar Position bezog für Pegida und gegen eine Abgrenzung nach rechts. Das Papier, das auch als Gründungsdokument von »Der Flügel« gilt, wurde im April vergangenen Jahres auch vom sachsen-anhaltinischen Landesparteitag angenommen. Die Resolution diagnostiziert im kulturpessimistischen Duktus der »Neuen Rechten« einen gesellschaftlichen Verfall und beschreibt die AfD »als Bewegung unseres Volkes gegen die Gesellschaftsexperimente der letzten Jahrzehnte (Gender Mainstreaming, Multikulturalismus, Erziehungsbeliebigkeit usf.)« und »als Widerstandsbewegung gegen die weitere Aushöhlung der Souveränität und der Identität Deutschlands«.
Auf diesem Parteitag referierte auch Ellen Kositza, die gemeinsam mit ihrem Ehemann Götz Kubitschek zu den führenden Köpfen der »Neuen Rechten« in Deutschland zählt. Das Verlegerehepaar ist bekannt wegen seiner Tätigkeiten für das Institut für Staatspolitik, die angegliederte Zeitschrift Sezession und den Verlag Antaios. Der Landesverband Sachsen-Anhalt besitzt eine besondere Beziehung zu Kubitschek und Kositza. Noch im Frühjahr 2015 wurden die beiden kurzzeitig als Mitglieder im Kreisverband Halle-Saalekreis aufgenommen, ehe der Bundesvorstand – damals noch unter Lucke – die Eintritte für ungültig erklärte.
Trotz des Konflikts im Bundesverband wurde auf dem damaligen Parteitag bereits der Grundstein für das Landtagswahlprogramm 2016 gelegt. Deutlich spricht es die Sprache der »Neuen Rechten«, die sich, wie eine Analyse des zivilgesellschaftlichen Vereins »Miteinander« titelte, in drei Begriffen zusammenfassen lässt: »Volk – Nation – Identität«. Neben einer Ethnisierung sozialer Probleme zielt das Programm der AfD darauf, etliche Lebensbereiche identitär, also im Sinne eines völkischen Nationalismus, zu gestalten. Wörtlich heißt es in dem Programm: »Unsere Politik achtet den Menschen, so wie er ist – mit seinen ethnisch-kulturellen, aber auch geschlechtlichen Identitäten.« Die AfD will in die Spielpläne der Theater eingreifen, will Schülerinnen und Schülern »die klassisch preußischen Tugenden« vermitteln und ihren »positiven Bezug« zu Deutschland fördern. Liberale Forderungen, wie die Gleichstellung von eingetragenen Partnerschaften mit der Ehe und dem damit verbundenen Adoptionsrecht, werden dagegen als »lebensfremde Gesellschaftsexperimente« abgelehnt.
Dass beim Landesverband Sachsen-Anhalt nicht von Schnittmengen mit der extremen Rechten gesprochen werden kann, sondern vielmehr der Verband in Gänze als deren Bestandteil angesehen werden muss, zeigen auch die zahlreichen gemeinsamen Auftritte. Poggenburg war beispielsweise im Mai Podiumsgast auf einer Veranstaltung des Compact-Magazins gemeinsam mit dessen Chefredakteur Jürgen Elsässer und dem »Reichsbürger« Christian Bärthel. Darüber hinaus beteiligt sich Personal der AfD regelmäßig an Montagsmahnwachen, Gida-Demonstrationen und Neonazi-Aufmärschen. Im Gegenzug boten die Demonstrationen der Partei, die in den vergangenen Monaten unter dem Motto »Herbst­offensive« in zehn Städten – zum Teil mehrfach – abgehalten wurden, eine Plattform für Wutbürger, Hooligans und Nazis. Bewusst wurde dabei keine Grenze nach rechtsaußen gezogen.
Eine Demonstration der AfD in dem kleinen Ort Klötze in der Altmark beispielsweise wurde lautstark von Neonazis dominiert. Etwa ein Drittel der 130 Teilnehmenden brüllte ­Parolen wie »Der Staat ist am Ende – wir sind die Wende« und »Europa, ­Jugend, Revolution – Ruhm und Ehre der Deutschen Nation«. Angeführt wurde der Aufmarsch von Poggenburg höchstpersönlich.
Sollte nicht noch ein kleines Wunder geschehen, wird die AfD in den nächsten sachsen-anhaltinischen Landtag einziehen. Viele Menschen ziehen Vergleiche zum überraschenden Einzug der DVU im Jahre 1998, deren Fraktion zur Lachnummer wurde und sich selbst zerlegte.
Auch wenn das Risiko von Blamagen bei der AfD in Sachsen-Anhalt hoch ist – so peinlich wie die DVU dürfte ihr Auftritt im Parlament nicht werden. Dafür werden die erfahreneren ostdeutschen Landesverbände schon sorgen. In Brandenburg, Sachsen und Thüringen zog die AfD mit jeweils um die zehn Prozent der Stimmen in die jeweiligen Landtage ein. Zudem dürften die mit dem Parlamentseinzug verbundenen finanziellen Zuwendungen den Strukturaufbau der AfD in den Regionen erleichtern und damit die bundesweite Etablierung eines ­stabiler politischen Kraft rechts von CDU und CSU weiter stärken.