Das Problem heißt Deutschland

Clausnitz liegt in Deutschland

Sachsen-Bashing ist dieser Tage angesagt. Doch das Bild des »bösen Sachsen« im »weltoffenen Deutschland« ist falsch.

Deutsche Patrioten haben es leicht dieser Tage. Seit Monaten wird die öffentliche Debatte von einem Thema dominiert: die vielen Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, und der Umgang mit ihnen. Mit Ruhm haben sich die Deutschen dabei nicht gerade bekleckert: Rund 1 000 Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte waren 2015 zu verzeichnen. Es ist pures Glück, dass es bei den jüngsten rassistischen Ausschreitungen bisher keine Todesopfer gab wie in den neunziger Jahren, als in Solingen und Mölln Menschen bei rechtsextremen Anschlägen starben. Rechte Versammlungen finden bundesweit mittlerweile nahezu täglich statt. Insgesamt zählte selbst das Bundesinnenministerium 13 846 Straftaten mit politisch rechter Motivation im vergangenen Jahr – und das ist ja nicht gerade dafür bekannt, rechte Straftaten besonders gut zu erkennen. Sondern eher dafür, rechten Terror mittels Geheimdiensten zu finanzieren und anschließend zu vertuschen – mal mit Lügen, mal mit Schreddern. Jede Woche passiert etwas, weswegen man eine »neue Qualität« der rassistischen ­Zustände in Deutschland behaupten könnte.
Dennoch haben deutsche Patrioten es dieser Tage besonders leicht. Indem sie alle Probleme, die es in Deutschland mit Rassismus und Nationalismus gibt, einfach Sachsen zuschieben, können sie das Bild des guten, warmherzigen Deutschland aufrechterhalten. Beispiele gefällig? Am 22. Februar titelte die Hamburger Morgenpost »Der Schandfleck« auf einer weißen Karte der Bundesrepublik, auf der Sachsen braun eingefärbt wurde. Im Untertitel fragte man: »Was ist da los in Pegida-Land?« und meinte selbstredend Sachsen allein. Ob »Extra3«, Zeit Online, »Heute Show« oder der »Checkpoint« vom Tagesspiegel: Scherze über einen »Säxit«, den Austritt Sachsens aus der Bundesrepublik, sind populär. Gegen Legida, den wohl widerwärtigsten Pegida-Ableger, wurde mit einem Banner demonstriert, auf dem zu lesen war: »Wer Deutschland nicht liebt, hat Sachsen gesehen.«. Auf viralen Bildern bei Facebook kann man neben den Namen von sächsischen Dörfern lesen: »Sachsen. Wo Hass seine Heimat hat.« In all diesen Fällen wird die Erzählung vom bösen Sachsen im guten Deutschland fortgeschrieben. Das niederträchtige, rassistische, chauvinistische Sachsen, das Hinterland der Willkommenskultur – es passt in dieser Erzählung einfach nicht zum weltoffenen, antirassistischen, aufgeklärten Rest Deutschlands.
In Sachsen sind die Zustände in der Tat besonders schlimm. Die Liste der Drecksnester – Tröglitz, Schneeberg, Freital, Heidenau, Clausnitz, Bautzen – wird immer länger. Nicht nur in absoluten, sondern auch in relativen Zahlen gibt es in Sachsen die meisten Anschläge auf Asylbewerberheime. Die rassistischen Bürgerinitiativen mit ihren »Nein zum Heim«-Seiten, die oft von NPD-Mitgliedern gelenkt werden, werden von CDU-Kommunalpolitikern immer wieder zum Dialog eingeladen. Dresden ist die Hauptstadt der völkischen Massenmobilisierung. Antifaschistischer Protest gegen Pegida ist kaum in nennenswerten Dimensionen vorhanden. In Sachsen regiert der Mob – auf der Straße, im Parlament, in den Polizeidirektionen und in der Landesregierung. Sachsen ist, das kann man mittlerweile wohl ohne Zögern sagen, das braunste Bundesland Deutschlands. Nirgendwo kann man so viel Volksgemeinschaft erleben wie in den winzigen Dörfern Sachsens.
Sachsen ist die Spitze des gesamtdeutschen Eisbergs. Das Ressentiment in Sachsen ist kein anderes als im Rest von Deutschland, es tritt nur offener zutage. All die Probleme, die Sachsen macht, findet man überall in Deutschland – seien es rassistische Polizisten, wütende Mobs oder brennende Asylunterkünfte. Viele Positionen von Pegida treffen auf große Zustimmung in ganz Deutschland. Die »Alternative für Deutschland« feiert ihren Siegeszug bundesweit. Im März wird sie wohl in drei weitere Landtage einziehen. Und es war nicht der sächsische Landtag, sondern der Deutsche Bundestag, der vergangene Woche die Asylgesetzgebung erneut verschärfte und dem Mob so weitere Wünsche erfüllte. Das Problem heißt Deutschland. Und Sachsen bleibt deutsch.