Der Prophet ist sein Richter

Porträt.

»Ich schwöre zu Gott, dass das Feuer in meinem Herzen nicht eher erlischt, als mindestens 10 000 Muslimbrüder für jeden getöteten Polizisten hingerichtet sind«, sagte der bisherige ägyptische Justizminister, Ahmad al-Send, bereits im Januar in einem Fernsehinterview. Am Sonntag wurde er entlassen. Bis zu seiner Entlassung schien er unantastbar.
Sein größter Feind sind die Muslimbrüder. Bereits während der Herrschaft des Diktators Hosni Mubarak war er in der Regierung tätig. Unter Mubaraks Regime waren die Muslimbrüder als religiöse Partei nicht zugelassen. Nach dessen Sturz im Februar 2011 kam mit Mohammed Mursi ein Mitglied der Muslimbrüder als Präsident an die Macht. Al-Send hielt sich trotzdem. Mursi versuchte vergeblich, ihn loszuwerden, stattdessen geriet Mursi selbst in die Kritik, unter anderem wurde ihm unrechtmäßige Einflussnahme auf die Justiz vorgeworfen. Auch unter dem nach einem Militärputsch folgenden Präsidenten, General Abd al-Fattah al-Sisi, blieb al-Send fest im Sattel.
Einig sind sich beide im harten Vorgehen gegen die islamistischen Muslimbrüder. 2013 verboten ägyptische Gerichte erneut die Muslimbruderschaft, die als Terrororganisation eingestuft wurde, viele Mitglieder wurden zu Haftstrafen verurteilt. Nach einem Protest der Muslimbrüder 2014, bei dem Bilder von hohen Richtern verbrannt wurden, stellte al-Send die Machtverhältnisse klar: »Wir Richter sind die Herren dieses Staates, während alle anderen unsere Sklaven sind. Wir werden das Herz von jedem einzelnen verbrennen, der es wagt, ein Foto eines Richters zu verbrennen.« Seine Hybris und Neigung zur Polemik sind schon länger bekannt. Es waren aber nicht sein hartes Vorgehen gegen die Muslimbrüder und sein fragwürdiges Verständnis der Rolle von Richtern, die ihm nun zum Verhängnis wurden. In einem Fernsehinterview antwortete er jüngst auf die Frage, ob er auch Journalisten einsperren würde: »Selbst wenn er ein Prophet ist, möge Gottes Segen mit ihm sein.« Damit ging er für viele muslimische Ägypter dann doch einen Schritt zu weit, sie forderten seinen Rücktritt und warfen ihm Gotteslästerung vor. Menschliches Wohlergehen zählt einigen eben nicht so viel wie ihr starres Glaubensverständnis. An Gottes Propheten darf nämlich auch ein ägyptischer Richter nicht zweifeln. Trotz seiner Entschuldigung am Samstag wurde al-Send vom ägyptischen Ministerpräsidenten Sherif Ismail entlassen.