Verzichtet die Robert-Bosch-Stiftung wegen Protesten auf die Zusammenarbeit mit dem Jüdischen Nationalfonds?

Keine Liebe auf den zweiten Blick

Die Robert-Bosch-Stiftung und der Jüdische Nationalfonds sprachen auf einer Veranstaltung in Stuttgart über eine Zusammenarbeit. Vier Monate später will plötzlich niemand mehr etwas davon wissen. Die israelfeindliche BDS-Bewegung hatte eine Kampagne gegen die Kooperation orchestriert – offenbar erfolgreich.

Es war auf der Jubiläumsfeier, als es funkte. Ende 2015 feierten Deutschland und Israel 50 Jahre diplomatische Beziehungen. In Berlin trafen sich deshalb Vertreter aus Wirtschaft und Politik mit Rang und Namen. Zwei von ihnen verstanden sich offenbar auf Anhieb prächtig: Sarah Singer, Präsidentin des Jüdischen Nationalfonds JNF-KKL in Deutschland, und Joachim Rogall, Geschäftsführer der Robert-Bosch-Stiftung. Die älteste Umweltorganisation der Welt und eine der finanzstärksten deutschen Stiftungen – scheinbar eine passende Kombination. Singer und Rogall unterhielten sich und Rogall beteuerte bald darauf: »Das war Liebe auf den ersten Blick.«
Der Satz fiel am 3. Dezember 2015 in der Villa Bosch in Stuttgart. Unter dem Motto »Nachhaltigkeit und Innovation« hatten Bosch-Stiftung und JNF-KKL zu einem Diskussionsabend geladen. Der baden-württembergische Wirtschafts- und Finanzminister Nils Schmid (SPD) gehörte ebenso zu den Teilnehmern wie Christian Lange (ebenfalls SPD), parlamentarischer Staatssekretär im Bundesjustizministerium, und der israelische Gesandte in Berlin, Avi Nir-Feldklein. Vertreter von Firmen und Organisationen vervollständigten die 35köpfige Versammlung, die der ehemalige bayerische Umweltminister Werner Schnappauf (CSU) moderierte.
Ein konkretes Projekt von Bosch-Stiftung und JNF-KKL existierte zwar noch nicht, aber es gab Ideen. Die meisten arabischen Staaten haben mit denselben klimatischen Problemen zu kämpfen wie Israel. Sie würden nach Ansicht des JNF-KKL von dessen Know-how profitieren. Weil die politische Lage ein direktes Engagement des Jüdischen Nationalfonds etwa in Jordanien aber unmöglich mache, wie die Gäste an dem Abend erfuhren, könne die Bosch-Stiftung Türen öffnen. Schließlich lief aber alles auf Afrika hinaus: In Ruanda und Kenia ist der KKL bereits aktiv, würde sich über Unterstützung aus Deutschland aber freuen. Mit der Absicht, den Worten Taten folgen zu lassen, gingen die Teilnehmer der Veranstaltung spätabends auseinander. »Es war ein hervorragender Abend«, verabschiedete sich Sarah Singer von den Gästen, »mit vielen Anknüpfungspunkten, die wir in den nächsten Wochen aufarbeiten werden, um dann auch konkret ein Afrika-Projekt mit der Robert-Bosch-Stiftung auf den Weg zu bringen.« Joachim Rogall ergänzte: »Wir sehen großes Potential darin, die Möglichkeiten der Robert-Bosch-Stiftung und die von JNF-KKL zusammenzuführen, um Nachhaltigkeitsprojekte in Afrika auf den Weg zu bringen.«
Doch es kommt anders. Medienberichte über den Abend machen die antiisraelische »Boykott, Desinvestition, Sanktionen«-Bewegung (BDS) und ihren schwäbischen Ableger, das »Palästina-Komitee Stuttgart«, auf die mögliche Kooperation der Stiftungen aufmerksam. Beide Organisationen verunglimpfen den Staat Israel als Apartheidstaat, den man bekämpfen müsse, wo immer es gehe. Seit mehr als zehn Jahren ruft die BDS-Bewegung deshalb international zum Boykott israelischer Waren auf.
Dabei greift die Kampagne nachweislich zu Falschbehauptungen, die es regelmäßig in die Medien schaffen. Im Fall der Robert-Bosch-Stiftung verfassten die Israel-Feinde einen offenen Brief unter der Überschrift: »Palästinenser, Afrikaner und die Gegner von Kolonialismus lehnen Apartheid ab«. Darin ruft das »Palästina-Komitee« den Vorstand der Robert-Bosch-Stiftung und Nils Schmid auf, »den guten Namen der Stiftung« nicht »durch die Zusammenarbeit« mit dem JNF-KKL zu beschädigen.
Der Brief setzt den JNF-KKL mit Apartheid und Kolonialismus gleich. Wer mit der Organisation kooperiere, müsse also der Ablehnung durch mehr als ein Sechstel der Weltbevölkerung gewärtig sein. In dem Schreiben werden diverse Verfehlungen des JNF-KKL und Israels aufgeführt, viele der darin gemachten Behauptungen sind allerdings längst widerlegt.
Anfang Februar hatten nach Angaben des »Palästina-Komitees Stuttgart« 31 Organisationen und etwas mehr als 300 Einzelpersonen den Brief unterzeichnet. Im Verhältnis zum Weltunternehmen Bosch, an dem die Stiftung 92 Prozent der Anteile hält, eine recht überschaubare Größe. Aber ihre Wirkung verfehlte sie dennoch nicht.
Warum eine Kooperation mit dem JNF-KKL schließlich nicht zustande kam, darüber hüllt sich die Stiftung in Schweigen. Jeglichen Hinweis auf den Abend in der Bosch-Villa sucht man auf der Stiftungs-Website nun vergebens. Die Pressestelle bestreitet auf Anfrage, dass es eine Zusammenarbeit mit dem Jüdischen Nationalfonds gab. »Anlass der Veranstaltung war das 50jährige Bestehen der diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und Israel«, heißt es in einer E-Mail. »Darüber hinaus gibt es keine Zusammenarbeit mit dem Jüdischen Nationalfonds. Zu den Gründen, warum wir uns gegen eine bestimmte Förderung oder Zusammenarbeit entscheiden, nehmen wir grundsätzlich nicht Stellung.« Konfrontiert mit den Zitaten Rogalls, der von Zielen der Zusammenarbeit sprach und davon, dass es aus seiner Sicht die Aufgabe der Robert-Bosch-Stiftung sei, »definitiv dafür zu sorgen, dass bestimmte Projekte nicht abgeblockt werden, weil sie aus Israel kommen«, verweist die Stiftung auf ihr ursprüngliches Statement. Es sei alles gesagt.
Auch beim JNF-KKL verschwindet die Erfolgsmeldung über die bevorstehende Zusammenarbeit von der Webseite. Niemand möchte zu dem Thema offiziell Stellung nehmen. Anders die Gäste der Veranstaltung vom 3. Dezember. Der Vertreter einer in Entwicklungszusammenarbeit erfahrenen Organisation erinnert sich: »Es gab den konkret geäußerten Wunsch zur Zusammenarbeit. Dafür wollten die beiden Organisationen an diesem Abend den Grundstein legen. Im Gespräch war ein Entwicklungsprojekt in Afrika.«
Einer, der nicht dabei war, die Hintergründe aber kennt, ist Grisha Alroi-Arloser. Er ist Geschäftsführer der Deutsch-Israelischen Handelskammer in Tel Aviv. »Ja«, bestätigt er, »es sollte eine Kooperation geben, und ja, sie wurde seitens der Robert-Bosch-Stiftung abgesagt. Nach der Berichterstattung über diesen Abend gab es eine großangelegte Aktion der BDS-Bewegung, aber damit hatte die Stiftung nicht gerechnet und ist eingeknickt.« Mit der Liebe auf den ersten Blick war’s auf den zweiten also offenbar nicht weit her.