Krauts und Rübern – der letzte linke Kleingärtner, Teil 4

Das Wetter zickt

Krauts und Rüben – der letze linke Kleingärtner, Teil 4.

Meine Fresse, was war das für ein Frühjahr. Nass und kalt. Der häufige Regen wäre noch auszuhalten gewesen, aber diese Kälte. Da wächst das Grünzeug im Garten nicht. Zumindest nicht sehr zügig. Und ein Teil des Saatgutes keimt nicht oder segnet kurz nach dem Keimen das Zeitliche. Immerhin, die Dicken Bohnen und Zuckererbsen haben das Tageslicht erblickt und sind rund fünf Zentimeter hoch. Aber bis 1,40 Meter bei den Zuckererbsen und 70 Zentimetern bei den Dicken Bohnen bis Mitte Juni ist es noch eine ziemliche Wegstrecke. Das Schöne daran: Es gab kaum einen Ausfall. So gut wie jede Bohne und Erbse ging auf. Da lacht das Kleingärtnerherz, denn das Saatgut ist aus eigenem Nachbau und konnte sich im Laufe der Jahre an meinen Boden und die durchschnittlichen klimatischen Verhältnisse anpassen.
Neben dem Wetter zickt auch mein Rasenmäher, Fabrikat AS-Motor. Weil ich noch nie Lust auf Zweitakt-Fummelei hatte, brachte ich das Gefährt in die Zweitaktklinik zum Herrn der Gartengeräte. Der wohnt ein paar Straßen weiter. Seine Zweitaktklinik ist fußläufig erreichbar und er repariert alle Gartengeräte, die mit Benzin angetrieben werden. Der Mäher läuft, säuft aber nach ein paar Minuten ab und springt trotz intensivster, schweißtreibender manueller Zuwendung am Starterseil nicht mehr an. Nachdem nun der Doc alles ausprobiert, ausgebaut, zerlegt und gereinigt hat, was man an einem Zweitaktgerät ausprobieren, ausbauen, zerlegen und reinigen kann, kommt jetzt ein werksneuer Vergaser hinein.
Mal sehen, ob die Maschine dann ihren Job macht. Bei 1 000 Quadratmetern Wiese kommt einiges an Gras zusammen, das gemäht werden will. Ich träume zwar nicht von einem englischen Rasen, aber ich möchte trockenen Fußes durch die Wiese gehen können. Gras wächst auch bei diesem Sauwetter recht flott in die Höhe, was die Bauern und ihre Kühe freut, mich aber nervt. Ich bin schließlich kein Bauer. Was hat mich dieser Zweitaktfiesling auf drei Rädern das Fluchen gelehrt und zum Schwitzen gebracht, wenn ich minutenlang das Starterseil zog. Vielleicht hätte ich das Drecksteil doch entsorgen und durch etwas Neues ersetzen sollen. Aber als halber Öko will (oder soll?) man nicht so viel wegwerfen, sondern reparieren, weil ressourcenschonend, Umwelt, Nachhaltigkeit und so. Ansonsten bekommt man ein richtig schlechtes Gewissen, das mindestens einen Zentner wiegt und einem den Tag vermiest.
Aha, meine Nerven und mein Schweiß, die in Hülle und Fülle vergeudet und dem Zweitaktmäher geopfert werden, sind also keine schutzwürdigen Ressourcen. Wenn die Maschine mit dem neuen Vergaser nicht einwandfrei laufen sollte, gebe ich auf, Öko hin oder her, und überlasse sie meinen Hühnern zum Zuscheißen. (Bei Redaktionsschluss stand das Ergebnis noch nicht fest.)
Apropos, die vier neuen Hühner legen immer noch keine Eier, was wohl der Kälte geschuldet ist. Sonst verrichten sie aber klaglos ihre Arbeit, düngen mit den zwei Hühner-Ureinwohnerinnen in dem eingezäunten Gehege den Gartenboden, scharren das Gras weg oder halten es zumindest kurz. Dort werde ich Kartoffeln legen. Die neuen Hühner sind in der Zwischenzeit auch recht passabel integriert. Die Hackordnung stimmt soweit und der Einsatz des Haarsprays, damit sie nicht so viel aufeinander einhacken und picken, geschieht nur noch ausnahmsweise. Vom Integrationswahn sind in Deutschland nicht nur Heerscharen an (Hobby-)Pädagogen gegenüber Flüchtlingen beseelt, sondern auch die Horde der übriggebliebenen Kleingärtner. Die wollen, ob sie es offen zugeben oder nicht, auch immer alles »schön ordentlich« haben. Unordnung ist ihnen ein Graus. Das würde natürlich kein Kleingärtner zugeben, mich eingeschlossen. Der stete Ringkampf zwischen Anarchie und Ordnung im Gemüsegarten ist eine never ending story. Mal gewinnt die Anarchie, mal die Ordnung. So richtig absetzen in der imaginären Tabelle kann sich keine der beiden.
Es ist der tägliche Kampf um Schönheit, Reinheit und Vollkommenheit. Jede Gartensaison aufs Neue. Zwar kann ich jedem, der es hören will oder auch nicht, erzählen, dass dieser kleingärtnerische Ordnungsfimmel letztlich nur blockiert und zu massiven Verkrampfungen führt. Aber als Kleingärtner ist man von diesem Hang zur Pedanterie regelrecht befallen und ein Getriebener. Da tickt der Kleingärtner ähnlich wie der gemeine Fußballfan. Das, was man an Eindeutigkeit nirgendwo sonst in seinem Leben findet und hinbekommt, versucht man zumindest im Stadion und im Garten zu erleben. Und wenn es nicht gelingt – es gelingt genau genommen nie –, wird man zu einem richtigen Fiesling für seine Umgebung. Weil, irgendjemand muss ja schuld sein. Der Schiedsrichter, der (Fußball-)Verein, was immer das im Konkreten heißt, der Trainer, die Saatgutindustrie, und je mehr die in den USA sitzt, umso mehr Schuld hat sie, und überhaupt die Konzerne und die Industrie. Ach, was könnte die Arbeit eines Kleingärtners für eine ungetrübte Freude sein.