Zivilgesellschaft gegen Rechtspopulismus in Österreich. Haben die Guten gewonnen?

Der Zerfall des Postnazismus

Nach der Wahl ist Österreich haben die Linken der FPÖ genauso wenig entgegenzusetzen wie davor. Es gibt keinen Grund, mit Optimismus in die Zukunft zu blicken.

Die Bundespräsidentschaftswahlen in Österreich sind vorbei und die Erleichterung – zumindest bei etwas mehr als der Hälfte der Österreicher – ist groß: Die antifaschistische Volksfront glaubt, gerade noch die oft herbeizitierte, quasi faschistische »Dritte Republik« verhindert zu haben. Aber in etwa so überzogen, wie die Befürchtungen waren, was eine Wahl Norbert Hofers bedeuten könnte, so überzogen sind auch der Siegestaumel nach seiner Niederlage und die Hoffnungen für die nähere und fernere Zukunft. Die FPÖ hat sich in den vergangenen Jahren unter der Führung Heinz-Christian Straches und vor allem seit Beginn der Wirtschafskrise grundlegend gewandelt. Von der einstigen Nazi-Partei, die sie zweifellos unter Jörg Haider noch war, ist außer ein paar Altkadern und markigen Sprüchen nicht mehr viel übriggeblieben. Keineswegs macht das die FPÖ aber weniger gefährlich eher im Gegenteil schafft sie es so, sich nach und nach einem viel breiteren Publikum als scheinbare Alternative anzubieten. In dem man die FPÖ aber einfach als Nazi-Partei abstempelt, wie es von linken und bürgerlichen Wählerinnen und Wähler so gerne getan wird, unterschätzt man nicht nur die Wandlungsfähigkeit, die die FPÖ immer wieder unter Beweis stellt, sondern entledigt sich auch jeder vernünftigen Kritik an ihr.
Der Charakter der neuen FPÖ liegt nicht mehr bloß, wie noch zur Jahrtausendwende, im Postnazismus begründet, sondern ist heute Ausdruck dessen Zerfalls. Die Linke aber weiß sich den Erfolg Hofers wie überhaupt den neuerlichen Aufstieg der FPÖ immer nur dadurch zu erklären, dass entweder alle Österreicher bloß Nazis seien oder aber, dass die FPÖ es schaffe, der Arbeiterklasse vorzugaukeln, in ihrem Namen zu agieren, während sie eigentlich das Interesse der Bourgeoisie vertritt. Hinter dem Faschismus das Kapital also. Und so ist auch die Antwort auf die Frage »Was tun?« so einfach wie anachronistisch: Es bedürfe nur wieder einer starken, linken und antifaschistischen Gegenkraft, die den Arbeiterinnen und Arbeitern eine ehrliche Alternative bietet. Eine Alternative, die sich vor allem auf das Ideal des postfaschistischen Sozialstaates der siebziger Jahre stützt, so als ob dieser aus politischem Willen heraus wiederherzustellen wäre. Ein solches Geschichtsverständnis funktioniert nur ohne Marx und ohne jegliche Einsicht darin, dass der Prozess der Geschichte eben nicht primär von Politik abhängig ist, sondern von den Bedingungen kapitalistischer Produktion. Geschichte lässt sich nicht wiederholen; sie ist eben Geschichte, wie es auch der Vollversorgerstaat der siebziger Jahre ist. Die Anforderungen des Kapitals haben sich verändert, der technologische Fortschritt sorgt für Massen an Überflüssigen, welche in der Produktion nicht mehr unterkommen und vom Dienstleistungssektor immer schlechter aufgefangen werden können. Und diese Masse an Überflüssigen, insbesondere aber jene, die von Deklassierung unmittelbar bedroht sind, also Arbeiter und Mittelschicht, sind für die Botschaft der FPÖ empfänglich. Diese ist so einfach wie unmittelbar einleuchtend: der Kampf um Arbeit und Kapital ist national. Der Großteil der FPÖ-Wähler sind keine Nazis, sondern egoistisch und unsozial und in diesem Sinne postmodernes Subjekt. Ihnen geht es primär um das eigene Überleben im Konkurrenzkampf und sie beweisen damit mehr Realitätssinn – und Brutalität – als viele Linke, die immer noch vom paternalistischen Sozialstaat für alle träumen. Dieser Zerfallsprozess ist ein globaler. In den westlichen Industriestaaten äußert er sich in Phänomenen wie Donald Trump, Bernie Sanders, Jeremy Corbyn, Le Pen oder eben der FPÖ. Man glaubt, nationale Interessen nur noch in Form von Protektionismus und Rückzug vom Weltmarkt vertreten zu können. Als Feind macht man demnach alles aus, was scheinbar von außen kommt: Fremde und das zersetzende Finanzkapital. Gegen sie, aber auch untereinander, verteidigt man sein eigenes Interesse umso brutaler, je weniger es eigentlich zu verteidigen gibt. Daran ist erst einmal nicht viel zu ändern. Der zivilgesellschaftliche Aufstand gegen Hofer war eigentlich nur ein letztes, fast schon verzweifelt wirkendes Aufbäumen all jener Gesellschaftsschichten, die noch genug zu verlieren haben, um es nicht der Politik der FPÖ überantworten zu wollen. Wie lange diese die Mehrheit bilden, bleibt abzuwarten. Das Ergebnis der Wahl lässt nichts Gutes erhoffen.