Jenseits von Airbnb

Als der IT-Manager Andy Donaldson nach einer Wohnung in London suchte, tauchte er ein in die Welt der Immobilienportale und war vom schonungslosen Realismus der dort eingestellten Fotos derart beeindruckt, dass er beschloss, die Bilder auf einen Blog mit dem Titel »TerribleRealEstateAgentPhotogaphs.com« zu stellen. Eine Auswahl der Aufnahmen sind jetzt in dem Bildband »Maklerfotos aus der Hölle« erschienen. Allen Bildern ist gemein, dass auf eine vorteilhafte Präsentation des Objekts, etwa durch vorheriges Putzen und Entrümpeln oder Entfernen persönlicher Dinge wie Fitnessbänke, Urkunden und Ketchup-Flaschen, konsequent verzichtet wurde. Das Buch versteht sich als Hommage an den Makler, der versehentlich seinen Daumen mitfotografiert; und als Verbeugung vor dem Eigentümer, der vom Wert seiner Immobilie so überzeugt ist, dass er den Anblick eines ungemachten Bettes mit einem Haufen schmutziger Unterwäsche darauf für unbedenklich hält. Es erschließt sich ein Paralleluniversum des Unseriösen, was oft schon mit dem unverantwortlichen Design des Vorhangs beginnt. Unverzichtbar sind die Kommentare, die, mal düster, mal lakonisch, mal hochspekulativ, erst die ganze Absurdität des Arrangements erschließen. Etwa im Fall des leeren Wohnraums mit deutlich vergilbten Tapeten und einem undefinierbaren dunklen Haufen in der Zimmermitte. »Wenn das da Nikotinflecken sind, könnte das Ding auf dem Boden sehr wohl eine Lunge sein.« Manche Bilder teilen viel über das Leben der ehemaligen Bewohner mit, wie ein ganz in Rosa und Braun gehaltenes, völlig zugestelltes Wohnzimmer (»Für Sie ist das ›überladen‹. Für einen ukrainischen Diktator eher schlicht.«), andere Fotos geben Rätsel auf, wie das von einem zufällig im Flur anwesenden Pferd. Bilder von Schlafzimmern oder Küchen, in denen die Toilettenschüssel gleich neben dem Bett oder dem Herd steht, vermitteln eine andere Realität als die weichgezeichneten Wohnwelten der Airbnb-Hipster. Oder ist das schon Poverty Porn? Das Buch ist düster wie Steven King, lehrreich wie fünf Semester Soziologie und viel lustiger als beides.

Andy Donaldson: Maklerfotos aus der Hölle. Dumont, Köln 2016, 12,99 Euro