Der al-Quds-Tag in Berlin und Nürnberg

Neue Parolen, alter Hass

Am Wochenende beteiligten sich in Berlin mehrere Hundert Menschen an der Demonstration gegen Israel anlässlich des al-Quds-Tags. In Nürnberg dagegen kamen zu einer »antiimperialistisch« geprägten Kundgebung »gegen Zionismus« nur 20 Teilnehmer.

»Die Zionisten kreieren hinter den Kulissen Konflikte und Kriege in den muslimischen Ländern, um ihre Verbrechen gegen die Palästinenser vergessen zu lassen.« Das sagte der iranische Präsident Hassan Rohani am Mittwoch vergangener Woche in seinem Aufruf zur Teilnahme am diesjährigen al-Quds-Tag. Dieser wird im Iran seit der »Islamischen Revolution« von 1979 jährlich als Feiertag zur »Befreiung Jerusalems« begangen, dabei finden staatlich organisierte Demonstrationen gegen Israel statt.
Am Samstag folgten in Berlin rund 800 Menschen dem Aufruf des iranischen Regimes, am »internationalen al-Quds-Tag« gegen Israel zu demons­trieren. Der 20. al-Quds-Marsch in Berlin, organisiert von der »Quds-AG« des Vereins »Islamische Gemeinde der Iraner in Berlin-Brandenburg«, erhielt noch wenige Tage zuvor neue Auflagen von der Polizei. Insbesondere wurde das Zeigen von Hizbollah-Symbolen und das Rufen bestimmter Parolen verboten. Die Organisatoren des Propagandamarschs achteten peinlich genau darauf, dass nur ihre eigenen Parolen skandiert wurden und die Teilnehmer nicht selbst kreativ wurden. Dennoch wurden vereinzelt Hizbollah-Symbole gezeigt und das polizeilich untersagte »Kindermöder Israel« gerufen. Eine Frau mit Hizbollah-Fahne wurde von der Polizei aus der Demonstration gezogen. Die Veranstalter mussten immer wieder ihre Anhänger zurückpfeifen, um eine vorsichtige Beendigung des Aufzugs durch die Polizei zu verhindern.
Die neuen Auflagen gefielen den Organisatoren nicht. Nachdem diese bei der Auftaktkundgebung verlesen worden waren, führte der Demonstrationsleiter sie auf den »Druck der israelischen Lobby« zurück, der zeige, dass der »Zionismus weit über Israel hinaus« ein Problem sei – für die »Zionisten« gälten keine Regeln. Auf die Ansage, dass es verboten sei, »Tod ­Israel« zu rufen, fragte ein Demons­trant: »Warum denn? Was sonst?«
Während der Marsch durch Berlin-Charlottenburg zog, zeigte sich schnell, dass die polizeilichen Auflagen der Manifestation des Antisemitismus keinen Einhalt gebieten konnten. Statt »Kindermörder Israel« war eine der offiziellen Parolen »Israel bringt Kinder um«. Statt Hizbollah-Fahnen waren Bilder von Hassan Nasrallah, dem Generalsekretär der Hizbollah, zu sehen. Eine Rednerin sagte, die Hizbollah sei der »libanesische Widerstand«, passend dazu hallte immer wieder der Sprechchor »Widerstand ist kein Terrorismus« durch die Straßen. Nicht verboten waren auch Parolen wie »Zionismus ist Faschismus« und Schilder mit Propagandalügen wie »Alle drei Tage tötet Israel ein Kind in Palästina«.
Dem islamistischen Happening wurde laut widersprochen, traditionell sowohl von einer antifaschistischen als auch von einer bürgerlichen Gegenkundgebung. Beide kamen zusammen auf mindestens 600 Teilnehmer, die dem al-Quds-Marsch »Lang lebe Israel« und »Free Gaza from Hamas« entgegenriefen. Vereinzelt gelang es kleinen antifaschistischen Gruppen auch, am Rande des Marsches zu protestieren. Doch abgesehen von diesen kurzen Störungen konnten die Anhänger der Islamischen Republik Iran ungehindert durch die Westberliner Innenstadt ziehen und dabei einiges an antiisraelischem Propagandamaterial unter die Passanten bringen. Trotz des Protestes und der Bemühungen von Senat und Polizei, den Marsch in seine Schranken zu weisen, dürften die Veranstalter ihn als Erfolg verbuchen. Nicht zuletzt, weil sie ihre antisemitischen Parolen teilweise einfach nur umformulieren mussten. Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, hatte bereits vor der al-Quds-Demonstration gesagt: »Es ist eine Schande, dass in Berlin Raum gelassen wird für Antisemitismus und Israel-Hass.«
Auch in Nürnberg wurde zum al-Quds-Tag gegen den jüdischen Staat gehetzt. Die Israelis seien Schuld, dass die Palästinenser verdursten würden, der Staat Israel sei rassistisch, »zionis­tische Lobbyisten« würden die Regierungen Europas und der USA beeinflussen, während die Hamas lediglich über nichttödliche Waffen verfüge, die gerade einmal 200 Meter weit reichten – so machte Redner und Organisator Velayet Aytan Stimmung gegen ­Israel. Die Kundgebung der »Friedensinitiative Nürnberg« in der Innenstadt zog jedoch nicht, wie beim Ordnungsamt angemeldet, bis zu 200 Teilnehmer an. Nur etwa 20 Menschen waren es, die sich um einen Lautsprecherwagen versammelten, auf dem Plakate mit Parolen wie »Keine Macht den US-Rael«, »Kein Blut für imperialistische Interesse«, oder »Keine Macht den Zionisten« angebracht waren. Das Ordnungsamt hatte die Auflage erlassen, keine israelischen Fahnen zu verbrennen und nicht zum Kampf gegen Israel aufzurufen.
Aytan war es offenbar wichtig, auf seine linke Verankerung hinzuweisen. Auf Facebook hatte er erklärt, er habe früher mit den Nürnberger Autonomen in deren Stadtteilladen »Schwarze Katze« zusammengearbeitet. »Ich bin Antifa«, so Aytan.
Während der deutschsprachige Aufruf zu der Kundgebung mit Parolen wie »Gemeinsam gegen Zionismus und Antisemitismus« äußerst knapp ausfiel, wurden die Friedensfreunde auf Türkisch deutlicher. Demnach sei es Zeit, die »Ketten der Schwäche aufzubrechen, alle Abkommen mit dem ­zionistischen Israel zu zerreißen und der Causa al-Quds, Palästina und al-Aksa sowie der Intifada um al-Quds wieder die nötige Aufmerksamkeit und Unterstützung zu verschaffen«.
Unter massivem Polizeischutz organisierte die Israelitische Kultusgemeinde Nürnberg (IKG) einige Hundert Meter von der al-Quds-Kundgebung entfernt einen Infostand, an dem sie versuchte, Passanten über Israel aufzuklären. Hinter dem Nürnberger al-Quds-Ableger sieht ein Sprecher der IKG, »radikale Islamisten im türkischen Gewande«. Die Website der »Friedensinitiative Nürnberg« gibt es auch auf Türkisch, die Anmelder der Kundgebung tragen türkische Namen.
Die schwache Beteiligung am al-Quds-Tag sollte nicht über das Mobilisierungspotential in Nürnberg hinwegtäuschen. Im Zuge des israelischen Militäreinsatzes im Gaza-Streifen 2014 waren mehrere Hundert Menschen durch die Stadt marschiert und hatten im Anschluss eine »Burger King«-Filiale gestürmt – im Glauben, der Konzern sei in der Hand von »Zionisten«.
Bereits 2013 veranstaltete die schiitische Nürnberger »Ahlulbayt-Jugend« in ihren Räumen einen al-Quds-Tag, auf dem auch die Berliner Antizionistin Petra Wild sprach. Redner war außerdem Andreas Grünwaldt, Kontaktperson der Ortsgruppe Franken von »Solidarität International«, einer Vorfeldorganisation der stalinistischen MLPD. Grünwaldt rief in der Vergangenheit mit Blick auf das »Nürnberger Südstadtfest« dazu auf, israelische Waren und die »israelische Apartheid« zu boykottieren. Gleichzeitig mit der al-Quds-Kundgebung fand auch diesmal das Südstadtfest statt. Daran beteiligte sich, wie jedes Jahr, »Solidarität International«.