Kommentar über die wirtschaftliche und soziale Krise in Zimbabwe

Leere Silos, leere Kassen

Die Proteste gegen die Regierung unter Robert Mugabe in Zimbabwe wachsen. Selbst die etablierte Opposition ist davon überrascht.

Die Regierenden in Zimbabwe wissen, Prioritäten zu setzen. Derzeit sind die Kassen des Landes im südlichen Afrika leer und die meisten Angestellten im Dienste des Staats warten noch auf ihre Gehälter für den Monat Juni. Doch Polizeioffiziere, Militärangehörige und Gefängnisaufseher konnten – mit zwei Wochen Verspätung – ihre Gehaltsschecks in Empfang nehmen. Der Staatsdienst ist in Zimbabwe der größte formelle Arbeitgeber und seit Wochen verzögert sich die Entlohnung von Ärzten, Krankenschwestern, Lehrern und Verwaltungsbeamten. Das ist nur ein Symptom der wirtschaftlichen und finanziellen Krise, in der sich Zimbabwe derzeit befindet.
Im Laufe der vergangenen Woche kam es in Zimbabwe zu einer Welle von Protesten und Streiks, wie sie das Land seit mindestens zehn Jahren nicht mehr erlebt hat. Am Montag vergangener Woche lieferten sich Taxi- und Minibusfahrer Straßenschlachten mit der Polizei, weil sie verärgert sind über die Wegelagerei der Ordnungskräfte an illegalen Checkpoints. Bereits am Freitag zuvor hatte eine aufgebrachte Menge ein Lagerhaus der Steuerbehörde in Beitbridge an der Grenze zu Südafrika niedergebrannt. Damit reagierten die Menschen auf jüngst erlassene Importrestriktionen, die offiziell die Produktion in Zimbabwe fördern sollen und den fliegenden Händlern ihre Lebensgrundlage nehmen.
Am Dienstag vergangener Woche traten dann Mitarbeiter der Gesundheitsbehörden und Schulen in einen Ausstand; einen Tag später folgten die meisten Zimbabwer nicht nur in der Hauptstadt Harare, sondern auch in Bulawayo, Mutare, Chinhoyi und anderen Städten dem Aufruf, zu Hause zu bleiben und das Land stillzulegen. Mobi­lisiert wurde zu diesem Streik vor allem über soziale Netzwerke wie Whatsapp und Twitter, die einigen Berichten zufolge daraufhin gesperrt wurden. Die regierende Partei Zanu PF kam eilig zu einer Sondersitzung zusammen, um über ihre Reaktion auf die Proteste zu beraten.
Der bemerkenswerte Zuspruch für die verschiedenen Protestaktionen überraschte auch die etablierten und neuen Oppositionsparteien, die zum Teil intern zerstritten sind und mit programmatischen und organisatorischen Schwierigkeiten zu kämpfen haben (Jungle World 17/2016). Schnell waren die Parteien Movement for Democratic Change (MDC-T) von Morgan Tsvangirai und die erst kürzlich gegründete Zimbabwe People First (ZPF) der ehemaligen Vizepräsidentin Joice Mujuru darum bemüht, sich mit den Protesten zu solidarisieren. Auch Vertreter des Verbandes der Bürgerkriegsveteranen, ein wichtiger Verbündeter der Zanu PF, erklärten Verständnis für die Demonstrationen und Streiks.
Doch es ist nicht die Agitation der Politiker, die die Menschen auf die Straßen treibt, sondern die wirtschaftliche und soziale Krise. Verschärft wird die finanzielle Notlage in Zimbabwe durch die Auswirkungen einer Dürre, die das ganze südliche Afrika betrifft. Fast fünf Millionen Menschen, vor allem in den ländlichen Gebieten, sollen wegen im Jahr 2015 ausgebliebener Niederschläge derzeit von Hunger bedroht sein, warnen die Vereinten Nationen. Inzwischen wurde der Katastrophenzustand ausgerufen.
Oft ist der Niedergang der regierenden Zanu PF und Mugabes in den vergangenen Jahren vorhergesagt worden. Doch die Langlebigkeit des politischen Systems, das maßgeblich von der ehemaligen Befreiungsbewegung geprägt ist, sollte nicht unterschätzt werden. Dabei ist das gewalttätige Vorgehen des formellen und informellen Repressionsapparats gegen die Opposition nur eine Möglichkeit von vielen. Wie der Präsident in einer Rede am Freitag vergangener Woche im Hinblick auf die drohende Hungersnot ausführte, sollten Bedürftige sich vertrauensvoll an die Partei wenden, wenn sie keine Nahrung erhielten. Es wäre nicht das erste Mal, dass in Zimbabwe die Zuteilung von Hilfsgütern für politische Zwecke missbraucht würde.