Platte Buch

Das Flüchtige bleibt

»Kunst will alles, Kunst, wie ich sie verstehe und brauche, träumt den hohen Anspruch«, sagt der Schauspieler Dieter Mann. Mann, der aus einfachen Verhältnissen kam, als Dreher arbeitete und die Arbeiter-und-Bauern-Fakultät besuchte, bevor er Schauspiel studierte, war von 1964 bis 2006 Mitglied des Ensembles am Deutschen Theater in Berlin. Von 1984 bis 1991 hatte er zudem die Intendanz inne. An dem Haus arbei­teten zu dieser Zeit beispielsweise Heiner Müller und Frank Castorf als Regisseure und Ulrich Mühe als Schauspieler. »Der Anlass für Theater bleibt der Widerspruch zwischen Tatsächlichem und Erwünschtem. Den elend beständigen Abstand zwischen beidem kritisiert die Kunst, ohne auf raschen Frieden zwischen diesen Polen zu bauen. Ohne aber auch mit der Wirkungslosigkeit zu kokettieren.« Mann, der noch im vergangenen Jahr in Basel auf der Bühne stand, spielte in seinem Leben Rollen in Stücken von Lessing, Schiller, Goethe, Tschechow und Shakespeare und in DEFA-Filmen. Über das Schauspielen sagt er: »Wir haben nicht nur fünf Sinne, wir haben, wie es ein Dichter gesagt hat, auch den Möglichkeitssinn. (…) Meinen Beruf habe ich immer als eine Arbeit am Möglichkeits­sinn verstanden.« Wie man das macht? »Wenn es geht, nicht schreien. Hingabe ja, Preisgabe nicht.« In solchen Bemerkungen treffen sich Klugheit und Erfahrung. Kürzlich ist Manns Autobiographie erschienen, in Form von Gesprächen mit Hans-Dieter Schütt. Das Buch ist, ähnlich wie die Autobiographie des verstorbenen Schauspielers Eberhard Esche, ein Einblick in das Deutsche Theater, die Bühnenkunst der DDR, eine Reflexion über das Schauspiel – kurz: ein Stück lebendige Theatergeschichte. Trotz zahlreicher Anekdoten ist das nie geschwätzig. »Im Privaten bleibe ich – privat.« So ist die schöne Vorstellung nicht nur ein Theaterabend, sondern das, was bleibt, der Gedanke des gemeinsam geträumten hohen Anspruchs. Es ist das Flüchtige, was bleibt. Das gilt für die Schauspielkunst ebenso wie für ein Leben, das sich der Schauspielkunst widmet.
Dieter Mann: Schöne Vorstellung. Aufbau-Verlag, Berlin 2016, 332 Seiten, 20 Euro