Ansbach am Tag nach der jihadistischen Attacke

Anschlag im Namen Allahs

Am Sonntagabend sprengte sich der 27jährige Syrer Mohammad Daleel vor einem Muskfestival im fränkischen Ansbach in die Luft. 15 Menschen wurden verletzt, zum Teil schwer. Vermutlich steht der »Islamische Staat« hinter dem Terroranschlag.

Dünne gelbe Kreidelinien auf dem Pflaster zeigen, wo die Leiche lag. Auf Bauchhöhe sind große dunkle Blutflecke zu sehen, die in der Sonne glänzen. Weiter unten liegt eine Spielkarte – die Pikdame. Ein junges Mädchen betrachtet mit Freundinnen die Szenerie. »Ist das gruselig«, sagt sie.
Mohammad Daleel starb am Sonntag keine drei Meter entfernt vom Haupteingang zu den »Ansbach Open«, einem Musikfestival in der mittelfränkischen Stadt mit 40 000 Einwohnern. Nachdem ihm der Einlass zu der Veranstaltung verwehrt wurde, weil er keine Karte hatte, soll der 27jährige Syrer gegen 22 Uhr einen Sprengsatz aus Nitroverdünner, Benzin, Kieselsteinen und scharfkantigen Metallteilen gezündet haben. 15 Menschen wurden verletzt, vier davon schwer. Zuvor soll sich Daleel in einem Video zum »Islamischen Staat« bekannt und einen Anschlag im Namen Allahs angekündigt haben.
Die Explosion kann nicht sehr stark gewesen sein. Als hätte der Kellner vergessen abzuräumen, stehen noch volle Bier- und Weingläser auf den sechs Tischen vor »Eugens Weinstube«. Die Aschenbecher sind voll. Doch die zersplitterten Scheiben, der viele Staub und Stoffreste, die aussehen, als stammen sie von einem Rucksack, passen nicht ins Bild. Teile von Stuhllehnen liegen auf den Tischen, auch eine in Plastikfolie gewickelte Blume.
Den Kameras entgeht davon nichts. Jedes Detail wird in Nahaufnahme ­gefilmt, Reporter machen sich für ihren Bericht bereit. Der kleine Platz vor der Gaststätte, wo Daleel die Bombe zündete, ist an diesem Montag fest in der Hand der Medien. Gerade hat die Polizei den Tatort wieder freigegeben, Beamte sind weit und breit keine mehr zu sehen. Im ersten Stock des Hauses, vor dem sich der Anschlag ­ereignete, öffnet ein Bewohner das Fenster und fotografiert den Medienauflauf. Ein Mann bahnt sich einen Weg und ruft: »Darf ich bitte in meine Wohnung?«
Das Team von der BR-Abendschau geht noch einmal den Ablauf der Liveschaltung durch. Claudia Frosch steht bereit. Im Laufe des Abends wird die Zeugin mehrmals ihre Geschichte erzählen. »Mir ist er so vorgekommen, als ob er auf seine Freundin warten würde. Er hat auf sein Handy geschaut, mal reingesprochen. Er war gar nicht aufgeregt«, sagt Frosch. Am Vorabend saß die 52jährige mit Freundinnen vor der Weinstube, als sich Mohammad Daleel direkt neben sie gesetzt haben soll. »Ein hübscher junger Mann. Gut gekleidet«, erinnert sich Frosch. Einige Minuten soll er so dagesessen haben. Frosch erklärt, sie habe sich gewundert, dass der Mann seinen Rucksack nicht abnahm, da dieser beim Sitzen stören müsste. Als die Frau für einen kurzen Moment in der Kneipe war, zündete der Attentäter den Sprengsatz. »Dann sind alle reingekommen, blutüberströmt, meine besten Freundinnen, alles geblutet. Ganz großes Chaos«, berichtet Frosch. Ihre Freundinnen hatten durch die Glassplitter Platzwunden im Gesicht davongetragen. »Dann haben alle gebrüllt, dass wir raus müssen«, erinnert sich die Zeugin. Die Gäste flüchteten daraufhin in eine nahgelegene Kirche.
Nur wenige Meter ist der Durchgang breit, der am Abend des Anschlags als Haupteingang des Musikfestivals diente. Bei einer Massenpanik hätte es hier womöglich noch viel mehr Verletzte gegeben. Jetzt gibt eine junge Ansbacherin einem französischen Fernsehteam ein Interview. »Wer hier Leute umbringen will, muss abgeschoben werden«, sagt sie. Auf einem Biertisch liegen verstreut Spielkarten, die Pikdame ist wohl weggeweht worden und liegt jetzt bei dem mit Kreide umrissenen Leichenfundort.
Vor dem etwas heruntergekommenen ehemaligen »Hotel Christl« ist es deutlich ruhiger. Nur zwei Pressevertreterinnen aus Paris warten auf der Straße in dem Wohngebiet im Nord­osten der Stadt. Im zweiten Stock des als Flüchtlingsuterkunft genutzten Hotels sind die Rollläden heruntergelassen, Decken liegen über dem Balkongeländer. Hier lebte Daleel, hier soll er seine Bombe gebaut haben. Er stammte aus Aleppo. Zweimal soll er versucht haben, sich umzubringen. Demnächst sollte er abgeschoben werden. Auf sechs Facebook-Accounts soll er islamistische Propaganda verbreitet haben. Sein Selbstmordattentat soll er in einem Video als Racheakt an Deutschen angekündigt haben, weil sie Muslime umbrächten.