Notizen aus Neuschwabenland, Teil 17

Die reine Angstlust

Diese Kolumne berichtet über das Milieu der »Neuen Rechten«. Notizen aus Neuschwabenland, Teil 17: Amok und Terror, Putsch und Notstand.

Nach Nizza, Würzburg, München und Ansbach herrscht die reine Angstlust. Jürgen Elsässer, der Herausgeber des neurechten Magazins Compact, schreit am lautesten: »Krieg gegen Deutschland!« »Das Gebot der Stunde ist Wehrhaftigkeit!« Damit steht er nicht allein. Die von Götz Kubitscheks Institut für Staatspolitik herausgegebene Zeitschrift Sezession sieht in München und Würzburg nur die »Ruhe vor dem Sturm«, unter den Lesern blüht die Diskussion um Selbstbewaffnung. Auch das »rechtslibertäre« Magazin Eigentümlich frei widmet sich der Frage, ob sich der Bürger nun selbst wehrhaft machen müsse, um den Terror zu bekämpfen. Endlich Ernstfall!
Über das Verbrechen in München war kaum Vernünftiges bekannt, da hatte Elsässer schon den nationalen Notstandsplan parat: Mangels eines Panzers, auf den er sich hätte stellen können, blieb dem ehemaligen Leninisten allerdings nur das Internet, um sein Dekret zu verkünden. Er verordnete: Grenzen zu, Flüchtlinge internieren, Moscheen schließen, Bundeswehr mobilisieren. Compact werde weiter als »publizistisches Maschinengewehr des Volkes« dienen und den Widerstand organisieren. Im Ausnahmezustand trenne sich auch die Spreu vom Weizen: »Falls die ›Alternative für Deutschland‹ ihren Namen verdient, muss sie sofort zu einer Großkundgebung aufrufen.« Vor allem wünscht sich Elsässer möglichst viele Festnahmen. Denn den Verrat erkenne man immer an zu wenigen Festnahmen.
Damit könnte er sich glatt auf einen Beraterposten beim türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan bewerben. Es werden ja gerade viele Stellen in der Türkei frei. Doch der gescheiterte Militärputsch dort rief erstaunlich wenig Reaktionen in den Reihen der Neuen Rechten hervor. Dabei ist die Frage nach dem Souverän, der über den Ausnahmezustand bestimme, eine ihrer Dauerfloskeln. Erdoğan, so viel wurde verstanden, hat sie jedenfalls in seinem Sinne beantwortet. Einzig die neurechte Wochenzeitung Junge Freiheit (JF) ging etwas ausführlicher auf die Ereignisse ein. Doch galt ihre Sorge hauptsächlich den Deutschtürken, deren angeblich mangelnde Integration man in den Demonstrationen gegen den Putsch bestätigt sah.
Ganz ohne klammheimliche Bewunderung ging es aber nicht: JF-Chefredakteur Dieter Stein beklagte die »Dekadenz« der Zivilgesellschaft, die einem entschlossen Handelnden nichts mehr entgegensetzen könne: »In Ankara lacht man sich über die Weicheier in Brüssel und Berlin kaputt.« Ein anderer Autor erhob die Stimme, um unter dem Titel »Die Türkei als Verbündeter« die »Konservativen« vor einem Bruch mit Erdoğan zu warnen. Man solle es den Liberalen und ihren säkularen Träumen überlassen, die Generäle zu bedauern. Der Konservative stelle sich der Realität. Dabei sei die Tradition hilfreich: Deutsche und Türken verbinde »eine historische Achse, die in Preußen bis ins 18. Jahrhundert reicht«. Angesichts des Zustandes von EU und Nato sei es an der Zeit, »Verbündete zu suchen, denen wir nicht nur geostrategisch zu Diensten sind«. So könne man sich gegenseitig helfen, Respekt vor Religion und Tradition sei grundsätzlich richtig und die Türkei unter Erdoğan für deutsche Konservative nützlich.
Ins selbe Horn, nur aus anderen Motiven, stößt Michael Klonovsky, der neue Berater der AfD-Vorsitzenden Frauke Petry und ehemalige Focus-Redakteur. Er erhofft sich jedoch vor allem eine Erschütterung in der Beziehung zwischen Deutschland und der Türkei, die Deutschland zugute kommen werde: »Eine umfassende Entfremdung sollte eintreten. Dank Erdoğan kann es geschehen. Zollen wir diesem Mannsbild von Herrscher, zollen wir Recep dem Prächtigen also unseren untertänigen Respekt.«
Die Verunsicherung nach dem schrecklichen Attentat von Nizza, nach den Toten von Würzburg und München, nach dem Angriff von Ansbach, wird politisch also eifrig ausgemünzt. Die rhizomatische Struktur des Terrors in der Postmoderne macht es möglich, denn die Gefahr ist real. Es bedarf nicht mehr der Kommandoebenen, Kader und Strategiedebatten, sondern nur noch der Tat und vielleicht eines symbolischen Winks. Um im Geiste des Jihadismus zu handeln, muss man nicht im Ausbildungscamp gewesen sein. Da der politische Islam einem Amoklauf gleicht, sind seine Taten von einem solchen auch nur schwer zu unterscheiden. So gerät die Grauzone, das Feld des Zusammenlebens, immer weiter unter Druck. Von allen Seiten.