Mit Kitsch und Karikatur

Nichts erinnert heute mehr an das, was James Ferraro in der Vergangenheit musikalisch produzierte. Sein Avantgardeprojekt The Skaters, Anfang des Jahrtausends gegründet, war roh, krachig, in dem Gedröhne schien nichts am richtigen Platz zu sein – zumindest dem gängigen Hörempfinden nach. Seitdem hat sich Ferraro jedem Musikgenre gewidmet, das es gibt, und einigen, die es vormals noch nicht gab. Mal klang er psychedelisch und spielte mit New Age, dann war es R & B, ein paar Soundcollagen zwischendurch sowie äußerst rumpeliger Pop. Fast immer betont amateurhaft, flüchtig, verrauscht und trotzdem virtuos im Umgang mit der Formsprache jedes einzelnen Stils.
2011, als Ferraro es bereits auf eine kaum überschaubare Anzahl von Veröffentlichungen auf verschiedenen Labels gebracht hatte, erfuhr der in New York ansässige Künstler plötzlich die Beachtung einer größeren Öffentlichkeit. Dabei klang »Far Side Virtual« nach Fahrstuhlmusik – nur glatter. Ferraro verwendete abgegriffene Computersounds und pro­duzierte so eine Musik, die immer wieder daran erinnerte, dass die Welt von sehr vielen Supermärkten, Technikklimbim und Normiertheit zusammengehalten wird. Ein Genre namens Vaporwave war geboren, man philosophierte so einiges über Jean Baudrillard und Ferraro wurde Teil der Kunstwelt; seine Arbeiten konnte man im Museum of Modern Art bestaunen.
Mit »Human Story 3« schreibt Ferraro seine Feel-good-Dystopie fort, die gänzlich auf Funktion und Reibungslosigkeit getrimmt ist. Was neu ist: die Klassik. Oder zumindest Anleihen an das, was man in etwa darunter verstand, bevor Ferraro alle Ecken und jeden Ausdruck einebnete. Die Konsequenz und Souveränität, mit der Ferraro das musikalische Material bearbeitet, sind beeindruckend. An Genuss orientierte Hörer dürften mit dieser auf Kitsch, Karikatur und Seelenlosigkeit zielenden Musik ernsthafte Probleme haben. Das macht sie so fortschrittlich.
James Ferraro: Human Story 3 (Eigenveröffentlichung)