Gedenken in Rio

Ein Fest des Friedens und der Völkerverständigung sind sie, die Spiele von Rio, mindestens, da sind sich Margot Käßmann, das IOC und die deutschsprachige Öffentlichkeit einig. Wie schön das mit dem Frieden und der Völkerverständigung in der Praxis klappt, zeigte sich kurz vor der Eröffnungszeremonie: Für libanesische Funktionäre und Sportler war der Gedanke, sich mit Mitgliedern der israelischen Équipe einen Bus zu teilen, derart unerträglich, dass Salim al-Haj Nakoula, Chef de Mission vom Team Libanon, den Eingang blockierte und sich dazu ausgiebig bei den Organisatoren beschwerte. Die antworteten nicht mit einem Schulterzucken und einer kühlen Bemerkung wie »Na, dann lauft halt zu Fuß«, sondern beschafften umgehend einen Ersatzbus, mit dem die Israelis schließlich ins Stadion gefahren wurden.
Dass libanesische Aktive es nicht ertragen können, sich ein Fahrzeug mit ihren israelischen Kollegen zu teilen, passt ziemlich gut dazu, was sich das IOC als Initiator des Fests des Friedens und der Völkerverständigung in den vergangenen 44 Jahren gegenüber den Hinterbliebenen der israelischen Sportler leistete, die 1972 von palästinensischen Terroristen ermordet wurden. Schon damals blieben arabische Delegationen der kleinen Trauerfeier im Stadion demonstrativ fern, in den folgenden Jahrzehnten erklärte das IOC immer wieder, es könne leider kein offizielles Gedenken an die Toten geben, weil »die Araber sonst protestieren würden«.
In Rio wird es trotzdem zum ersten Mal eine Gedenkveranstaltung geben (allerdings aus Sicherheitsgründen als geschlossene Veranstaltung), dazu wird ein Stein mit den Namen der Opfer aufgestellt, der bei allen künftigen Spielen im olympischen Dorf stehen soll. Nach 44 Jahren. Weil Frieden und Völkerverständigung.