Der islamistische Patient

Der Bundesinnenminister will den Terror vor allem mit autoritären Maßnahmen aufhalten. So wird sich der wachsende Einfluss des Islamismus allerdings nicht zurückdrängen lassen.

So harmlos und unscheinbar der Titel des Papiers ist, das Innenminister Thomas de Maizière am Donnerstag vergangener Woche vorgelegt hat, so autoritär und ideenlos ist es in weiten Teilen. »Geplante Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit in Deutschland« hat der CDU-Politiker es genannt. Was dort an Vorschlägen aufgeführt wird, entspricht der alten, falschen konservativen Vorstellung, dass dem Terror vor allem mit Repression begegnet werden müsse, am besten in Verbindung mit einer Einschränkung von Grundrechten. Verschärfung des Aufenthaltsrechts, schnellere Abschiebeverfahren, Leistungskürzungen, mehr Polizei, Ausweitung von Überwachungsmaßnahmen, Entzug der deutschen Staats­angehörigkeit – das sind nur einige der Einfälle, mit denen de Maizière glaubt, Anschläge und Attentate wie die in Würzburg, Ansbach und auch München künftig verhindern zu können. Dass solche Maßnahmen mehr Sicherheit bringen würden, darf man allerdings getrost bezweifeln, dass sie »rechtsstaatlich maßlos« sind, wie der FDP-Vorsitzende Christian Lindner zu Recht befand, dagegen als gesichert betrachten.
Besonders befremdlich ist die Idee, die ärztliche Schweigepflicht zu lockern, damit Ärztinnen und Ärzte die Behörden künftig über geplante Straftaten ihrer Patientinnen und Patienten informieren können. Aus guten Gründen warnte der Präsident der Bundes­ärztekammer davor, das grundgesetzlich geschützte Patientengeheimnis anzutasten. Schließlich schaffe nur die Schweigepflicht die Voraussetzungen »für das unerlässliche Vertrauensverhältnis« zwischen Patienten und Ärzten. Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach fürchtet, eine Lockerung der Schweigepflicht »könnte Patienten vom Arztbesuch abschrecken« und so »nicht mehr ­Sicherheit, sondern weniger« schaffen. Schließlich müsse klar sein: »Der unbehandelte Patient ist der gefährlichste Patient.«
Was im Gegensatz zu de Maizières Plänen tatsächlich geboten wäre, haben zehn Islamkritiker – darunter die Menschenrechtlerin Mina Ahadi, der Politikwissenschaftler Hamed Abdel-Samad und die Schriftstellerin Arzu Toker – in einer bemerkenswerten Erklärung aufgezeigt. Sie fordern eine strikte Säkularisierung, um den Einfluss des politischen Islam und der islamischen Verbände zurückzudrängen. Dazu gehören für die Verfasser beispielsweise die Abschaffung der religiösen Gesetze im Familien-, Zivil- und Strafrecht, eine Beendigung der »Integration« durch die Moscheen und islamischen Organisationen sowie eine Streichung der staatlichen Fördergelder für Moscheen, islamische Einrichtungen und für die Ausbildung von Imamen an Universitäten. Solche Schritte seien nötig, um die Prinzipien einer offenen, säkularen Gesellschaft verteidigen zu können. Denn nicht nur der islamistische Terror, sondern auch die dahinterstehende Ideologie des politischen Islam müsse entschieden bekämpft werden.
Der Staat jedoch verstärkt durch seine Kumpanei mit den islamischen Lobbyverbänden das falsche Bild einer quasinatürlichen muslimischen Gruppenzugehörigkeit, die diese Verbände als politisches Instrument nutzen. Er trägt damit dazu bei, dass vielen Menschen die Möglichkeit genommen wird, nach ihren persönlichen Vorstellungen in einer säkularen Gesellschaft zu leben. Daran ändern Repression und die Einschränkung von Rechten nichts. Im Gegenteil.